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Es ist still geworden im Gedenken an das Geschehen vor 60 Jahren. Nur in den Köpfen und Herzen derer, die den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen am eigenen Leib erfahren mußten, ist noch lange nicht Ruhe eingekehrt. Immer wieder wandern die Gedanken der heute über 60jährigen zurück in die Zeit, da sie die Heimat verlassen mußten, Verwandte und Freunde durch Gewalteinwirkung verloren und sich plötzlich in der Fremde zurechtfinden mußten. Viele von ihnen waren in diesen Jahren noch Kinder - unschuldig, hilflos, gutgläubig. Wie sie den Krieg, Flucht und Vertreibung erlebt haben, liest man immer wieder in erschütternden Zeitzeugenberichten, nicht zuletzt in der Freiheits-Depesche. Nun aber hat eine Frau zu einem anderen Medium gergiffen, um ihre Erlebnisse zu schildern, um sie sich von der Seele zu schaffen. Else Kindt zeigt noch bis zum 30. September im Harburger Haus der Kirche, Hölertwiete 5, III. OG, 23 Aquarelle unter dem Titel "Die Seele freimachen von Angst, Leid und Gewalt 1945 bis 1949" (montags bis donnerstags 9 bis 15 Uhr, freitags 9 bis 14 Uhr). In eindrucksvollen, erschütternden Bildern hat die 1939 in Kellmienen (Tellen), Kreis Tilsit-Ragnit, als Else Naujeck geborene Else Kindt das festgehalten, was sie als Sechsjährige durchleben mußte. - Viel zu spät war die Familie (Mutter, Großmutter und drei kleine Kinder) auf die Flucht gegangen, schließlich war es streng verboten gewesen. Über das Eis des Frischen Haffs ging es in Richtung Westen, doch bald wurden sie von den Russen überrollt, zogen wieder Richtung Osten, der Heimat zu. Doch dort erwartete sie - nichts: das Haus zerstört, die Menschen ermordet, verschleppt oder geflüchtet. Mehr schlecht als recht richtete man sich ein. Der kleine Bruder war längst gestorben. Erschütternd die Bilder, die Else Kindt von seinem Begräbnis bei Eis und Schnee malte. Die beiden Schwestern müssen Schreckliches mit ansehen - Mord, Vergewaltigung, Verschleppung. Mit nur wenigen sensiblen Strichen gelingt es Else Kindt, das Entsetzen in den so jungen Gesichtern zu zeigen. Den Abschluß der Präsentation bildet ein Blatt, das wohl besonders beeindruckt. Es zeigt ein Mädchen inmitten einer Trümmerwüste. Es kniet, achtet nicht auf sein weißes Kleid und auch nicht auf die drohenden Flammen, die nach ihm zu greifen drohen. In der Hand hält es eine weiße Blume - ein Zeichen der Hoffnung? Hoffen, ja hoffen muß man, daß solche Schrecken sich nicht wiederholen - ganz im Sinne der Kinder dieser Welt. Und doch: Blickt man sich um, dann fragt man sich, ob die Menschen wohl je vernünftig werden? man
Zerschossener Flüchtlingstreck auf dem vereisten Frischen Haff: Aquarell von Else Kindt |
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