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Die Wiederkunft der Sonnenkönige

 
     
 
Für diese Politikerin, die kurz als Regierungschefin während der Ära Mitterrand fungiert und ihre politische Begabung auch durch amouröse Fähigkeiten (unter anderem in den Armen Mitterrands) unter Beweis stellen konnte, sollte ein Sitz in der zwanzigköpfigen EU-Kommission vergessen lassen, daß sie von den rechten Parteien während ihrer Pariser Amtsperiode stark angegriffen worden war. Nach Ansicht des inzwischen verstorbenen Vaters des Neuen Franc, Antoine Pinays, war Frau Cresson überhaupt nicht für die Stelle einer Premierministerin geeignet. Ihre Schwäche hier vermochte sie durch ihre liebenswerte Begabung auf dem Felde der Betten der Finanzwelt auszugleichen.

Frau Cresson ist von der Ausbildung her Kauffrau. Kurz nach ihrer Ernennung zur EU-Kommissarin hatte die sozialistische
Politikerin in einem Fernsehinterview ihre Genugtuung darüber ausgedrückt, fern von der Pariser Bühne zu sein und sich ihren europäischen Aufgaben direkter widmen zu können, was nunmehr erst vollständig seinen tieferen Sinn offenbart.

Vom Europäischen Parlament wurden ihr und Manuel Marin Vetternwirtschaft und Geldmißbräuche vorgeworfen. Der konservative "Figaro" gab in einem sehr abgemilderten Beitrag zu bedenken, daß umgerechnet zwei Milliarden Mark zum Beispiel in Burundi und Kosovo im Zusammenhang mit dem humanitären EU-Vorhaben "Echo" verschwunden seien. Zur Zeit haben die Ermittlungsbehörden der Kommissarin erst lediglich die Spur von einer Million Mark entdeckt. Frau Cresson, die in Brüssel u. a. für Bildung und Wissenschaft zuständig ist, wurde in diesem ominösen Fall von französischen Presseleuten so eindeutig reingewaschen, daß selbst redliche Europa-Anhänger in stärkste Zweifel gekommen sind, ob die Parteilichkeit der Presse noch als ernstzunehmendes Korrektiv in anderen ernsten Fällen wirksam wird.

Hinter dem Beschluß des Europäischen Parlaments, einen Untersuchungsausschuß zu gründen, der die Brüsseler Finanzen prüfen soll, verbirgt sich nach Ansicht von Beobachtern die Zukunft von Frau Cresson. In Paris wird gemunkelt, sie könnte in Brüssel von der derzeitigen Kulturministerin und ehemaligen Oberbürgermeisterin von Straßburg , Catharine Trautmann, abgelöst werden. Der zweite französische Kommissar, der Karrierediplomat de Silguy, müßte dann wohl auch gehen. Die Entscheidung der sozialistischen Gruppe im Europäischen Parlament, die beiden belasteten EU-Kommissare zu schonen, würde sich durch unmittelbare Anweisungen aus den ministeriellen Kabinetten erklären. Die führenden nichtfranzösischen Meinungsträger in Europa urteilen, daß die Kommissarin des Luxemburger Santera von der ganzen Affäre so stark angeschlagen sei, daß sie nicht mehr zu halten sei.

Da ergänzt es sich sinnträchtig, daß der französische Verfassungsrat nunmehr mit Artikel 68 beschlossen hat, daß der Präsident Frankreichs "für Handlungen, die er in Ausübung seines Amtes vorgenommen hat, nur im Falle des Landesverrates zur Rechenschaft gezogen werden kann". Dieses famose Gesetz gilt sogar für die Zeit vor der Präsidentschaft und bedeutet damit, daß der Präsident während seiner Amtszeit für ordentliche Gericht unerreichbar bleibt. Dieses Gesetz ist sogar so formuliert, daß der Verfassungsexperte Pierre Avril meinte, selbst wenn der Präsident seine Frau erdrossele, blieben dem Gericht die Hände gebunden – der Präsident müsse dann entweder von sich aus zurücktreten oder dessen Amt müsse für vakant erklärt werden. Ein fabelhaftes Lehrbeispiel für Europa, denn Paris ist damit in die Zeit des absolutistisch herrschenden Monarchen, des Sonnenkönigs", zurückgefallen.

 
     
     
 
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