Dornröschens Schlösser

Dornröschens Prinz kann von Glück reden, daß er die holde Prinzessin nicht in Ostdeutschland aus ihrem hundertjährigen Schlaf hat erwecken müssen, denn bei der Vielzahl der dortigen Schlösser und herrschaftlichen Gutshäuser hätte er sie wahrscheinlich nie gefunden.

Ein Uninformierter wird bei der Durchsicht des Buches "Schlösser und Gutshäuser im ehemaligen Ostdeutschland" vermutlich überrascht sein. Die vielen schönen Schlösser und Gutshäuser in dieser Region haben auch die Autoren Malgorzata Jackiewicz-Garniec und ihren Mann Miroslaw Garniec in ihren Bann gezogen. Was einst nur eine Ausstellung werden sollte, entwickelte sich gleich zu einem fast vierhundertseitigen Buch. Da Miroslaw Garniec auch noch ein ebenso talentierter wie leidenschaftlicher Fotograf

ist, kann man sich von den schönen, farbigen Hochglanzfotografien nur schwer abwenden.

Marion Gräfin Dönhoff, Adelheid Gräfin Eulenberg und Dr. Kamila Wroblewska haben es sich nicht nehmen lassen, einige Vorworte zu diesem schönen Werk niederzuschreiben.

Der eigentliche Teil des Buches besteht aus dem Album und dem Katalog. Im Album sind die interessantesten Schlösser und Gutshäuser auf jeweils mehreren Seiten aufgeführt. Neben den Fotos der Gebäude, die die Objekte in früherem und auch ihrem heutigen Zustand zeigen, verdeutlichen Zeichnungen und Landkarten die Lage und Einmaligkeit dieser herrschaftlichen Wohnsitze. Der Text befaßt sich mit der Geschichte und den Besitzern der jeweiligen Gutshäuser. Am Anfang jeder Beschreibung steht der heutige polnische Ortsname, dahinter der deutsche, und in der Zeile darunter ist der Kreis genannt, in dem sich das genannte Gutshaus befindet.

Der Katalog führt in alphabetischer Reihenfolge der polnischen Ortsnamen alle Schlösser und Gutshäuser auf. Die kleineren Objekte sind meist nur einfach bebildert und mit einem kurzen Text erläutert, während bei den schon im Album ausführlich beschriebenen Landsitzen ein Hinweis auf die dortige Seitenzahl zu finden ist.

"Schlösser und Gutshäuser im ehemaligen Ostdeutschland" ist demnach ein Nachschlagewerk für Kenner dieser Materie, lädt aber zugleich zum Blättern und Stöbern ein, so daß man, ohne es zu merken, die Zeit aus dem Auge verlieren kann.

Auch wenn das Buch wunderschön zu lesen ist, so stimmt es leider zugleich ein wenig traurig. Die Fotos, die den heutigen Zustand der Schlösser und Gutshäuser aufzeigen, bilden meist nur Ruinen ab, zu denen viele der einmaligen Bauwerke geworden sind.

Es scheint unverständlich, wie man solche historischen Kunstdenkmäler einfach sich selber überlassen und verkommen lassen konnte, wenn sie noch nicht im Laufe des Krieges zerstört worden waren. Es ist offensichtlich, daß die Regierung und die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg den Wert der Gebäude nicht erkannt haben.

Tatsache ist, daß heute kein Prinz sein Dornröschen hinter einer der verfallenen Mauern vermuten würde, es bleibt aber zu hoffen, daß die Menschen das noch Vorhandene zu erhalten versuchen.

Fritz Hegelmann

Malgorzata Jackiewicz-Garniec und Miroslaw Garniec, "Schlösser und Gutshäuser im ehemaligen Ostdeutschland", Verlag Studio Wydawnicze ARTA, Olsztyn 2001, 29 Eur