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Merkel auf Reisen

 
     
 
Trotz allem Bemühen, die wirklich heißen Eisen auf die lange Bank – vermutlich also den nächsten Wahlkampf – zu schieben und einstweilen in Harmonie zu machen, ziehen über der noch jungen großen Koalition bereits die ersten düsteren Wolken auf. Da macht es der demokratische Politiker nicht anders als das vorgeblich von ihm vertretene Volk: Wer eben kann, enteilt in freundlichere Gefilde. Womit ja nicht unbedingt die Strände Mallorcas gemeint sein müssen.

So ging denn auch unser aller Kanzlerin auf politische Weltreise, vorige Woche nach Washington, diese Woche nach Moskau. Von beiden Stationen konnte sie zufrieden heimkehren. Zweifellos ist es ihr gelungen, den Treffen mit den beiden mächtigsten Männern der Welt ihren Stempel aufzudrücken, wie immer man das aus deutscher Sicht im einzelnen bewerten will. Denn erst die Zukunft wird erweisen, ob unser Land von der „neuen Sachlichkeit“ zur einen und der „neuen Freundschaftlichkeit“ zur anderen Seite profitieren wird – oder ob sich daraus letztlich doch wieder nur neue Belastungen im Stile der „altbewährten“ Scheckheft-Diplomatie ergeben. Die nicht gerade billigen Mitbringsel der Kanzlerin beim Besuch in den USA sind jedenfalls kein gutes Zeichen.

Vielleicht waren sie ja auch der Preis dafür, daß im Jahre 1 nach Schröder & Co. das politische Berlin sich in einigen wenigen Punkten – Guantanamo! – deutlich kritischere Töne erlauben durfte, als man je von den ach so kritischen rot-grün
en Geistern vernommen hatte.

Schließlich waren es ja die Herren Schröder und Fischer, die – entgegen allen wahlkampfwirksamen amerikakritischen Beteuerungen keine Hemmungen hatten, ihre Geheimdienste von amerikanischen Menschenrechtsverletzungen profitieren zu lassen; ob dies sogar bis hin zur aktiven Teilnahme reichte, wird noch aufzuklären sein.

Im Vergleich dazu darf man den Umgang Angela Merkels mit dieser Frage als durchaus wohltuend empfinden. Und man muß auch respektvoll registrieren, daß Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gezielt am Vorabend des Treffens Bush-Merkel gegenüber dem „Handelsblatt“ bekundete, er habe „nie ein Hehl daraus gemacht, daß man nach meinen Vorstellungen Guantanamo nicht rechtfertigen kann“. Zumindest relativiert das seine früheren, auch hier heftig kritisierten Aussagen zum Thema Folter.

Daß Präsident Bush natürlich nicht daran denkt, das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo nunmehr wegen der Kritik aus Deutschland zu schließen, sollte man Frau Merkel nicht anlasten. Wenn es um ihre essentiellen nationalen Interessen – oder das, was sie dafür halten – geht, machen die Amerikaner immer nur das, was sie wollen. Was man im fernen Europa davon (nicht) hält, hat sie noch nie interessiert und wird sie auch in Zukunft nicht interessieren.

Wenn die USA sich rücksichtslos als Weltmacht aufspielen, tun sie das in dem Bewußtsein, daß sie die Macht dazu haben und niemand sie daran hindern kann. In diesem Bewußtsein unterscheidet sich George W. Bush übrigens von keinem seiner Vorgänger – und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von keinem seiner Nachfolger. Je weniger Illusionen sich deutsche Politiker diesbezüglich machen, umso besser für unser Land.
 
     
     
 
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