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Pfingsten - ein Fest, das wir fünfzig Tage nach Ostern feiern; ein Fest, das wir in Deutschland ausgiebig feiern, zwei Tage lang; ein Fest, das eine lange Tradition hat. Es reicht zurück in die Gründungszeit der christlichen Kirche, und es hat eine noch viel längere Tradition im jüdischen Volk und seinem Glauben. Es ist ein Fest, dessen Inhalt vielen Menschen unserer Tage inzwischen unbekannt ist. Ein Frühlingsfest ist es nicht mehr, ein Sommerfest ist es noch nicht, wenn es in diesem Jahr auch sehr nahe am Beginn des Sommers gefeiert wird. Es muß irgend etwas mit dem Christentum zu tun haben, denn alle großen Feste im Laufe des Jahres haben christlichen Ursprung und Charakter. Was feiern wir also?
Wir feiern den Geist, den Heiligen Geist, den Geist Gottes, Gott selbst. In der Woche davor beten wir Christen alle vereint um diesen Geist, wie es auch der Schülerkreis Jesu damals vor etwa 2.000 Jahren getan hat: "Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu."
Wir beten, wir bitten um diesen Geist Gottes. Wirklich? Bitten wir wirklich darum? Eine der vielen Fragen, die uns - bewußt oder unbewußt - beschäftigen, ist doch: Brauche ich, brauchen wir, braucht die Menschheit den Geist Gottes? Ist unser eigener Geist nicht groß und souverän genug? Nun, wir merken und erfahren doch in unserem kleinen Alltag bis hin zu den großen Weltgeschehnissen, daß unser Geist recht schnell an seine Grenzen stößt. Wir bilden uns viel ein, wie sehr wir alles können, erkennen und durchschauen, und merken nicht einmal - oder zu spät -, wie wir ständig hinters Licht geführt werden, etwa durch gezielte Informationen, die lückenhaft oder gar Falsch-Informationen sind, weil sie bestimmten Zielen dienen sollen; denken wir an manche Werbung oder an die Kriegspropaganda , die wir ja nun - wieder einmal - zur Genüge erlebt haben. Das alles ist möglich, weil wir vieles einfach nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen können; wir sind solchem Treiben häufig hilflos ausgeliefert.
Wo ist da unser Geist, auf den wir stolz sind und uns stützen? Ob da nicht doch die Bitte um den Geist Gottes berechtigt ist? Und zwar nicht nur als Feigenblatt, sondern in dem Bewußtsein, daß dieser Geist die Wahrheit ist; daß dieser Geist das Chaos am Beginn der Welt geordnet hat; daß dieser Geist allem das Leben gibt und alles Leben erhält, führt und vollendet.
Ja, "sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu". Eine große Bitte mit gewaltigen Konsequenzen! Sind wir - jeder einzelne von uns - bereit, diesen Weg zu gehen, diese Veränderungen der Welt mitzutragen? Sind wir bereit, diesem Geist Gottes Raum zu geben, uns von ihm dann auch in die Pflicht nehmen zu lassen, damit die Welt - das Antlitz der Erde - neu wird? Eine andere, eine bessere Welt wird? Wenn wir uns, unseren Geist dem Geist Gottes öffnen, uns auf ihn einlassen, dann bedeutet das für uns Unruhe, Herausgerissensein aus allem Trott, aus aller Behäbigkeit, aus eingefahrenen Gleisen! Das heißt dann Aufbruch in eine Zukunft mit vielen Unsicherheiten, aber vor allem auch mit vielen Chancen!
Denken wir an Abraham, den Chaldäer. Der Geist Gottes sagt ihm: Verlaß deine Heimat und geh in ein Land, das ich dir zeigen werde. Immer, wenn Abraham - in seinem Geist - meinte, er sei schon angekommen, wurde er vom Geist Gottes weitergeführt. Vieles konnte er sich nicht denken; vieles konnte er nicht voraussehen; er überließ sich dem Geist Gottes, der ihn letztlich zum Ziel führte: zu sich und zu Gott. So haben sich im Laufe der Jahrtausende immer wieder Menschen auf diesen Geist Gottes verlassen und haben ihr Glück gefunden - wenn auch häufig genug durch Leiden hindurch. So war auch unsere Vertreibung nicht nur eine Katastrophe, sondern auch eine große Chance - sowohl für den einzelnen persönlich wie für unser ganzes Volk und für den Glauben.
Diese Bitte mit den Worten der Liturgie: "Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu", drücken wir mit einem Kirchenlied so aus: "Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit, daß sie deine Stimme hört, sich zu deinem Wort bekehrt. Erbarm dich, Herr." Manchmal hat man wirklich den Eindruck, daß die Christenheit sich in Sicherheit wiegt. Sie orientiert sich an - sehr zweifelhaften - Umfragen, an soziographischen Erhebungen, an katechetischen Modetrends, statt nach dem Geist Gottes Ausschau zu halten. Erst wenn wir tief in uns auf ihn hören, wird Glaube lebendig, wird Leben ermöglicht, werden Ideologien überwunden.
"Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu." Wer ist dieser Heilige Geist? Wie, wodurch verändert er die Welt, so daß sie neu wird? Mit ganz anderen Worten gesagt: Er ist die Liebe! Die Liebe schafft die Veränderungen. Sie gibt uns die Kraft und den Mut, kleinliche Angst zu überwinden: "Was denken die anderen wohl über mich?" Sie gibt uns die Kraft und den Mut, uns für das Gute einzusetzen. Paulus kennzeichnet in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth die Liebe folgendermaßen: "Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit."
Dieser Geist Gottes kann die Welt verändern, ja erneuern. Er wird auf unserer Erde zwar nicht das Paradies schaffen, aber er wird sie so erneuern, daß dieses Paradies wenigstens ein wenig aufleuchtet. Es ist völlig absurd, ein Land, eine Region, unsere Welt mit Terror und Krieg zu überziehen und sich dabei auf Gott zu berufen, auf seinen Geist, auf die Vorsehung.
In einem Pfingsthymnus heißt es: "Entflamme Sinne und Gemüt, daß Liebe unser Herz durchglüht und unser schwaches Fleisch und Blut in deiner Kraft das Gute tut." Die Sprache mag manchem etwas veraltet klingen, aber dahinter steckt die Bitte: "Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu!" |
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