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Es gibt andere, vielleicht sogar wichtigere Themen als den Irak. Im Mittleren Orient geht es um Abrüstung oder militärische Intervention, in Europa geht es um neue Maßstäbe in der Bioethik und damit um nichts weniger als eine menschliche Zukunft. Es ist auffallend, daß gerade unter Spitzenpolitikern, die beim Thema Irak eher auf der angelsächsischen Linie liegen, die Prinzipien der Menschlichkeit zugunsten vordergründiger Interessen hintangestellt werden.
Konkret: Angela Merkel , die Vorsitzende der Union (Partei und Fraktion) hat sich entschieden. Ihre Präferenz für Thomas Rachel als Sprecher der Union in der Enquetekommission für Medizinethik, die letzte Woche aus der Taufe gehoben wurde, war eine Entscheidung für eine liberale Position bei der Präimplantationsdiagnostik und für das therapeutische Klonen. Da mag sie noch so sehr über scharf begrenzte Ausnahmen parlieren. Ein bißchen Mensch ist genauso unmöglich wie ein bißchen schwanger. Entweder der Mensch wird als solcher anerkannt - und zwar von Anfang an - und gilt somit auch als mit Würde und dem Recht auf Leben ausgestattet, oder man setzt willkürlich Grenzen, ab oder vor denen der Mensch getötet und/oder zu Forschungszwecken mißbraucht werden kann. Frau Merkel ist eine begnadete Taktikerin und scharfzüngige Debattiererin. Bei grundsätzlichen Fragen des Menschseins aber finden Taktik und Kompromißbereitschaft ihre Grenzen. Hier ist sie schwach.
Der eigentliche Gegner Merkels in dieser Frage ist der Abgeordnete Hubert Hüppe. Er hat sich über die Grenzen Deutschlands hinaus den Ruf eines kundigen und grundsatzfesten Experten in bioethischen Fragen erworben, in der vergangenen Legislaturperiode war er Sprecher der Union in der Enquetekommission Recht und Ethik in der Medizin. Ihm vor allem ist es zu verdanken, daß es in der vergangenen Woche zu einer parteiübergreifenden Resolution des Bundestages kam, in der jegliche Form des Klonens abgelehnt wird als "unvereinbar mit der universell gültigen Menschenwürde". Das seit Wochen diskutierte und nachgebesserte Dokument kann sich auf eine breite Mehrheit im Parlament stützen. Der gemeinsame Antrag wurde von Union, SPD und Grünen eingebracht. Es fehlte die FDP, die einen eigenen Antrag zur Abstimmung vorstellte, der erwartungsgemäß eine industriefreundlichere und nahezu allen Möglichkeiten offene Position vertritt. Liberal bis zur Vernichtung des Humanums.
Frau Merkel sieht offenbar in diesem Gegensatz eine Gefährdung ihrer machtpolitischen Ziele. Indem sie in den zukunftsträchtigen Bereichen der Bioethik und Gentechnik liberale Positionen vertreten haben will, gibt sie der FDP ein Signal - und verkauft gleichzeitig christliche Grundsätze für ein parteitaktisches Linsengericht. Ein Eigentor im wahrsten Sinn des Wortes. Damit hat sie ihrer Glaubwürdigkeit großen Schaden zugefügt. Ein Kanzler der Beliebigkeit ist schon mehr, als Deutschland vertragen kann. Der oder die nächste muß die Fundamente erneuern, auch die ethischen. Maria Klausner |
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