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Wer die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von Lutherischem Weltbund und dem Vatikan am Reformationstag des Jahres 1999 für eine Konsensillusion gehalten hat, der sich vor allem die Vertreter der protestantischen Kirche hingegeben haben, darf sich in diesen Tagen bestätigt sehen.
Diese Illusion bezog sich insbesondere auf die Erwartung, daß sich Art und Qualität der ökumenischen Zusammenarbeit mit dieser Erklärung erheblich verbessern würden. Nach der in diesen Tagen veröffentlichten neuesten Erklärung der römischen Glaubenskongregation mit dem Titel "Dominus Jesus" wissen die protestantische n Christen, daß der Vatikan ihre Kirchen keineswegs als vollwertig anerkennt. Die evangelische Kirche und all die Kirchen, so steht in der Erklärung zu lesen, "die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn". Und weiter: "Aus dem bisher Gesagten ... geht klar hervor, daß es dem katholischen Glauben widerspräche, die Kirche als einen Heilsweg neben jenen in den anderen Religionen zu betrachten, die komplementär zur Kirche, ja im Grunde gleichwertig wären." Mit anderen Worten: Die protestantische Kirche ist nach römisch-katholischer Auffassung bestenfalls eine kirchliche Gemeinschaft, die sich von Freikirchen und Sekten kaum noch unterscheidet.
Eine für protestantische Christen ernüchternde Feststellung, bedeutet doch diese Sichtweise nicht mehr und nicht weniger als die Verabschiedung des ökumenischen Konzepts einer Einheit in der Verschiedenheit. Die Absage der katholischen Kirche an jede Form von konfessionellem Pluralismus zeigt, wie recht diejenigen evangelischen Hochschulprofessoren hatten, die im Vorfeld der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre vor einer Unterzeichnung dieser Erklärung gewarnt hatten. Rom hat den Willen der protestantischen Kirche zur Gemeinsamkeit nicht nur nicht honoriert, sondern deren eilfertige Protagonisten auf protestantischer Seite durch die neueste Erklärung auch noch düpiert.
Die Erklärung zeigt ein weiteres: Die tiefen Gräben zwischen dem Vatikan und der protestantischen Kirche im Hinblick auf die Lehre von der Kirche (Ekklesiologie) sind unüberbrückbar. Bezeichnenderweise wurde genau dieser Punkt bei der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre ausgespart. So spricht "Dominus Jesus" von der "universalen Heilsmittlerschaft der (katholischen) Kirche". Nach reformatorischer Auffassung aber liegt die Heilsmittlerschaft allein bei Jesus Christus und nicht bei der Kirche. Die Kirche ist im Protestantismus im Unterschied zum Katholizismus niemals selber Gegenstand des Glaubens. Zwischen diesen Positionen kann es keine Vermittlung geben. Insofern kommt der Erklärung "Dominus Jesus" eine reinigende Wirkung zu, weil die dogmatischen Unterschiede deutlich formuliert worden sind. Aus römischer Sicht kann es eine Einheit der (christlichen) Kirchen nur unter römischer Obhut geben. Alles andere käme aus ihrer Sicht einer Verwässerung der Lehrinhalte gleich. Diese Auffassung dürfte das eigentliche Ärgernis für viele Zeitgenossen darstellen: Absolute Wahrheitsansprüche werden in einer Welt, die angeblich Tag für Tag mehr "zusammenwächst", als "anstößig" empfunden.
Die protestantische Kirche ist vor dem Hintergrund ders unbedingten Geltungsanspruches des Vatikans gefordert. Die Wahrheitsfrage ist gestellt. Man darf und kann deshalb die neueste Erklärung des Vatikans auch als Fortschritt sehen. Rom hat an die Stelle synkretistischer Abschleifungen seine Sicht der Dinge ohne Wenn und Aber zum Ausdruck gebracht. Relativistische Theorien, so steht in "Dominus Jesus" zu lesen, würden die "immerwährende missionarische Verkündigung der Kirche" gefährden. In der Folge würden Wahrheiten wie die universale Heilsmittlerschaft der (katholischen) Kirche als überholt betrachtet.
Mit diesen Aussagen ist theologischer Wirbel programmiert, der reinigend wirken kann, wenn er mit einem falsch verstandenen Konsensverständnis auf seiten der protestantischen Kirche aufräumt.
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