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Er ist ein Meister des Floretts

 
     
 
Was hat denn der Kaiser geschrieben? - Theaterleute, Literaten und Musiker gleichermaßen wollten (und wollen) zuerst einmal wissen, wenn es um die Sichtung von Kritiken ging, was Joachim Kaiser in der Süddeutschen Zeitung geschrieben hatte. Das hatte Autorität, das hatte Gewicht. Vielleicht gab es dann auch so manchen Musiker, der wünschte, Kaiser möge doch mehr über das Theater schreiben, und so manchen Schauspieler, der den Kritiker eher in die Konzertsäle verbannt sehen wollte. Viele fürchteten ihn und sein Urteil, doch es war gerecht und keineswegs mit dem Holzhammer
vorgetragen.

Joachim Kaiser ist ein Meister des Floretts, nicht des Schwertes. Selbst sein "Kontrahent" in Sachen Kritik, Marcel Reich-Ranicki, konnte nicht umhin, Kaiser zu würdigen. Bei der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises 1993 betonte er, Kaiser sei "ein Sachwalter der Vernunft und To-

leranz, ein leidenschaftlicher und heiterer Aufklärer im Reich der Kunst". Er sei "der einzige deutschsprachige Kritiker von Rang und Format, der gleichermaßen unterhaltsam und belehrend, geistreich und urteilssicher über Musik, Literatur und Theater zu schreiben vermag".

Geboren wurde Joachim Kaiser 1928 im ostdeutschen Milken, Kreis Lötzen, wo sein Vater als Arzt wirkte. 1933 zog die Familie nach Tilsit. Immer aber begleitete sie die Musik, schließlich wäre der Vater gern Geiger geworden. Joachim begeisterte als junger Mann nach dem Krieg seine Mitschüler an einem Hamburger Gymnasium mit seinem Klavierspiel, daran erinnerte sich ein

ehemaliger Klassenkamerad und späterer Kollege im Feuilleton der Süddeutschen. Aber auch an gemeinsame Theaterbesuche und -aufführungen. Literatur oder Musik? Joachim Kaiser entschied sich für beides und entwickelte eine wahre Meisterschaft, "alles in Geschriebenes zu verwandeln", wie Joachim Fest es in der Laudatio zu Kaisers 60. Geburtstag formulierte. Er stecke "voller unermüdlicher kritischer Ausdruckslaune ..., als sei die Welt dazu da, in einer Rezension zu enden. Er hat von früh an einen überaus persönlichen, ganz unverwechselbaren Ton gefunden", so Fest. "Stets konnte und kann man seine Artikel schon an der Überschrift erkennen, an den aus Subjektivität, Leichtigkeit und Treffsicherheit hergestellten Wortverbindungen. Er hat alles gelesen und nahezu alles schon einmal gesehen oder gehört. Doch ist ihm dies nie zum Ballast geworden. Der Impulsivität seines Urteils, seiner Lust zur Bewunderung und am Überschwang, hat es nicht anhaben können." Und so gehört Joachim Kaiser tatsächlich wohl zu einer aussterbenden Spezies. Kein Wunder also, wenn eine Ausstellung zu Ehren des 75jährigen den Titel trägt: "Ich bin der letzte Mohikaner", zu sehen noch bis zum 22. Februar im Münchner Literaturhaus am Salvatorplatz. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der bisher unveröffentlichte Briefwechsel Kaisers mit "den Dichtern, Richtern und Verlegern seiner Generation". Manuskripte und Fotos, auch Reclamhefte der Theaterstücke, die Kaiser rezensierte, sind zu sehen. Das Privatleben jedoch ist meist ausgespart, so sind nur einige Fotos aus der Schulzeit, des Elternhauses in Milken und das Musikhausbuch der Familie zu entdecken. Was zählt ist Joachim Kaiser, der Kritiker aus Leidenschaft, der Mann des Wortes, der Zwischentöne. Gäbe es doch mehr!

 
     
     
 
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