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Polizisten, Lehrer, Feuerwehrleute, insgesamt 12.000 Angehörige des öffentlichen Dienstes in Schleswig-Holstein, demonstrierten im vergangenen November vor dem Sitz der Landesregierung gegen geplante Kürzungen ihrer Gehälter, des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes und riefen im Sprechchor: "Heide muß weg!"
Aufgebrachte Bauern beschimpften in Wahlversammlungen Vertreter der Landesregierung, weil sie das Landwirtschafts ministerium abschafft und zusammenlegt mit dem Umweltministerium. Tausende von Eltern äußern zunehmend deutlich ihre Unzufriedenheit mit der Unterrichtssituation.
Überall im Lande brechen die Arbeitsplätze weg. Ein richtiger Schlag ins Kontor war kurz vor der Wahl die Ankündigung der Firmenleitung der größten deutschen Werft, der Howaldtswerke Deutsche Werft AG in Kiel, über 700 Arbeitsplätze abbauen zu wollen.
Das alles war kein günstiger Hintergrund für die Sozialdemokratische Partei, als am vergangenen Sonntag die Schleswig-Holsteiner zur Wahl ihrer neuen Stadt- und Gemeindeparlamente sowie der Kreistage gingen. Zwar waren es nicht diese Gremien, die in der Hauptsache verantwortlich waren für den allgemeinen Niedergang, doch mußten sie es ausbaden, da zunächst keine andere Wahl für einen Denkzettel in Sicht ist. Sie mußten nicht nur für die Politik des rot-grünen Kabinetts in Kiel, sondern auch für das innenpolitische Versagen der Bundesregierung in Berlin büßen.
Allein in der traditionell roten Landeshauptstadt Kiel verlor die SPD ein Drittel ihrer bisherigen Stimmanteile und liegt jetzt bei knapp unter 30 Prozent. Nicht anders ging es den übrigen kreisfreien Städten und Landkreisen. Überall liefen der SPD die Wähler davon. Sie blieben zu Hause - oder sie wählten CDU, die etwas schaffte, was ihr noch nie gelungen war, nämlich in allen Kreisen und kreisfreien Städten die Mehrheit zu gewinnen, in den meisten sogar die absolute Mehrheit. So war dann von einem Erdrutsch die Rede, und die Zeitung der Landeshauptstadt, sonst eher der Regierung zugeneigt, meinte am Tag danach: "Das war keine Ohrfeige, das war ein Kinnhaken für die große Regierungspartei im Land."
So war denn auch die traditionell erste Bekanntgabe eines Wahlergebnisses im Radio - das der Hallig Gröde mit genau einem Dutzend Wahlberechtigten - keineswegs nur amüsant, sondern zeigte bereits den Trend. Von den zwölf Grödenern hatten zwei SPD gewählt, sechs CDU, einer Grün, zwei SSW, die Partei der dänischen Minderheit, und einer eine Wählergemeinschaft.
Ist die Niederlage der Sozialdemokraten verständlich, so fällt es schwer, die Gründe für das hervorragende Ergebnis der CDU zu finden. Wichtiger dürfte die Tatsache sein, daß sie weder im Bund noch im Land Schleswig-Holstein die Verantwortung für das derzeitige politische Geschehen trägt. Weitere aber fallen einem nicht ein. Ihr Landesvorsitzender Peter Harry Carstensen, der Bundestagsabgeordnete und Landwirtschaftsexperte, der vor einigen Monaten nach jahrelangen Krächen um dieses Amt zum Landesvorsitzenden gemacht worden war, ist, wie eine Umfrage kurz vor der Wahl ergab, bei etwa 40 Prozent der Wähler gänzlich unbekannt. Es fällt schwer, Persönlichkeiten aus dem zweiten oder dritten Glied der Landes-CDU zu finden, die überzeugend die Partei landesweit repräsentieren könnten. In den Kreisen und Kommunen haben ihre Vertreter so gut und so schlecht gearbeitet wie die der anderen Parteien auch.
So bleibt kein anderer Schluß, als daß die Wähler die CDU als Protestpartei gegen die Berliner und in geringerem Maße auch gegen die Kieler Politik benutzt haben. Ein großer Teil der traditionellen SPD-Wähler ist resigniert zu Hause geblieben nach der Devise: "Wir können ja doch nichts ändern", eine Einstellung, die immer mehr um sich greift und unserem Gemeinwesen überhaupt nicht gut tut. Bezeichnend: Die kurz vor der Wahl gestellte Frage, ob es angebracht sei, der SPD einen Denkzettel zu verpassen, bejahten 61 Prozent der Arbeiter.
So deuten denn alle Beobachter das Wahlergebnis (CDU 50,8 Prozent, SPD 29,3 Prozent, Grüne 8,4 Prozent, FDP 5,7 Prozent und SSW 2,5 Prozent) als Ausgangsposition für die in zweieinhalb Jahren stattfindende Landtagswahl, was vermutlich voreilig ist. Der CDU-Vorsitzende Carstensen hat nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses erneut bekundet, daß er gern Ministerpräsidentenkandidat seiner Partei würde. Um Erfolg zu haben, müßte er allerdings deutlicher als bisher erkennen lassen, wie er und die von ihm geführte Partei sich von der SPD unterscheiden lassen. Nur dröhnend lachend und jovial Schulter klopfend durchs Land zu ziehen reicht dafür nicht. Auch ein in seiner Grundhaltung zweifellos Konservativer muß schon ein schärferes politisches Profil entwickeln, auch wenn er dabei in seiner Partei hier und da anecken sollte.
Am 16. März wird nun in der Landeshauptstadt Kiel in einer Stichwahl die Entscheidung fallen, ob Kiel zum erstenmal seit Bestehen der Bundesrepublik von einer Christdemokratin als Oberbürgermeisterin regiert wird. Angelika Volquartz - Schulleiterin, bevor sie in die Politik ging, und so beweisend, daß sie auch ohne Partei ihren Mann steht - wirkt als Persönlichkeit überzeugender als der recht blasse Gegenkandidat Jürgen Fenske, bei dem die Vermutung bleibt, daß er seine Karriere der Partei verdankt. Der als Wahlkämpfer auftretende Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, früher einmal Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, bestätigte ihm gönnerhaft, er sei ein "guter Büroleiter" gewesen. |
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