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Mit ernsthafter Miene schlug er sich auf die Brust und sagte: "Hier ist mein Herz. Das klopft, und wenn es nicht mehr klopft, dann bin ich tot. Dann werde ich ein Engel." Als die Großmutter daraufhin sagte: "Aber nur, wenn du brav bist", meinte Tom lakonisch: "Na, dann bin ich eben nur tot." Kinder in seinem Alter - immerhin ist er gerade mal vier Jahre alt - nehmen das Thema Werden und Vergehen noch nicht allzu ernst. Was aber tun, wenn der Nachwuchs eines Tages vor einem steht und mit ernster Miene fordert: "Erzähl mir was vom Tod"? Die meisten Erwachsenen werden erschrocken reagieren. Wie kommt mein Kind nur auf solche Ideen? Und: Was soll ich darauf bloß antworten? "Der Tod, nun ja der Tod, du weißt doch, bei Opa, der ist einfach eingeschlafen. Er war müde vom langen Leben, und nun ist er im Himmel." Oder: "Wir müssen alle sterben, das gehört zum Leben dazu. Dein Meerschweinchen ist gestorben, deine Oma auch ..." Nein, so geht s nicht. Aber wie denn dann?
Antworten, wenn auch keine allgemeingültigen, gibt s auf einer Ausstellung, die für Kinder, Jugendliche und ganze Familien vom Berliner Kindermuseum FEZ Wuhlheide zusammengestellt wurde und jetzt Station macht im Helms-Museum in Hamburg-Harburg (Museumsplatz 2, 21073 Hamburg; dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, bis 24. Juli; Katalog 5 Euro). Interaktiv nennt sich die Ausstellung, man kann also mitmachen, kann anfassen - begreifen, was heute vielfach nicht mehr verstanden wird. Kinder sind begeistert, wenn sie mit einbezogen werden. Und so herrscht auch keine heilige Stille, wie sonst in manchen Museen. Hier tobt das Leben, möchte man meinen, auch wenn es sich um ein so ernstes Thema wie Leben und Sterben handelt. Die Kinder haben alle einen Reisepaß erhalten, den sie mit sich führen auf dieser "Reise ins Jenseits" und der Aufgaben zu dem Thema enthält, die sie lösen müssen. Schwierig ist die Frage nach dem Lebensalter. Denn wer weiß schon auf Anhieb, wie alt eine Eiche, ein Elefant oder ein Kaninchen werden können? Spaß hingegen macht das Spiel mit dem Computer. Da kennen sie sich aus, und so drängeln sich die Jungens vor dem Bildschirm, jeder möchte mal rankommen, um zu schießen. Denn bei dem Spiel handelt es sich um "Outlaw", das erste Videospiel, bei dem menschlich aussehende Figuren "sterben" oder "leben" können. Mit Begeisterung dabei sind die Schüler, etwa zehn bis elf Jahre alt, wenn sie im Labor der Unsterblichkeit eine Mixtur (aus Traubenzucker, Kamille und Zitrone) mischen können, die ihnen "Unsterblichkeit" verleihen soll. "Möchtest du wirklich unsterblich sein?" - "Na klar", strahlt der Junge, "aber so alt wie jetzt möchte ich bleiben." Ob das geht? Selbst seine Mitschüler schauen skeptisch drein.
Sehr viel ruhiger geht s in einem Raum zu, der zum Kino umfunktioniert wurde. Dort sieht man zwar einen lustigen Zeichentrickfilm, der Ton aber beschäftigt sich auch mit dem Sterben. Kinder erzählen, wie sie sich den Tod vorstellen und was sie erwarten von einem Leben danach. "Entweder komme ich in den Himmel oder ich bleibe bei den Eltern", sagt ein sterbenskrankes Mädchen. Ein anderes Kind wünscht sich sehr, den kleinen Bruder noch einmal zu sehen, mit ihm zu spielen und ihm etwas beizubringen. Ob ein Gebet zum lieben Gott da hilft? Besinnlich ist auch das nächste Kabinett, in dem das Grimmsche Märchen vom "Gevatter Tod" erzählt wird. Neugier auslösend schließlich das "Wohnzimmer der Erinnerung". Ungestraft darf man da in Schubladen wühlen und alte Fotos studieren, um herauszubekommen, was das für ein Mensch war, der in diesem Zimmer einst lebte.
Das langsame Sterben eines alten Mannes dokumentiert eine Fotoreihe. Die Kinder sind nicht sonderlich interessiert, es ist wohl zu abstrakt für diese Altersgruppe. "Schnell raus, laß uns den Trank noch mal mischen. Das war cool." Ob allerdings die Dame im dunkelblauen Hosenanzug, die für Informationen und Ordnung zuständig ist und eine gewisse Autorität ausstrahlt, davon so begeistert ist, mag dahingestellt sein, schließlich muß sie die "Pütschereien" wieder aufräumen. "Ein Kabinett", so erzählt sie, "zieht die Kinder ganz besonders in den Bann, das Zimmer mit den Todesanzeigen und dem Sarg. Da kommt es schon mal vor, daß die Kinder Probeliegen machen in dem Sarg. Den Deckel klappen sie dann sogar zu. Das dürfen sie aber nur, wenn eine Aufsichtsperson mit dabei ist. Stellen Sie sich mal vor, die vergessen da einen und wir wissen nichts davon ..." Urnen, Leichenhemden und Gucklöcher auf verschiedene Grabstätten haben an diesem Ort gar nichts Unheimliches. Da sieht es im Paradiesgarten schon etwas anders aus, schließlich ist dort (unter Glas) das Grab eines vor 6.000 Jahren verstorbenen Mannes zu sehen, gefunden 1904 im schlesischen Jordansmühl. An der Decke, oder besser am Himmel hängen unzählige Zettel, auf denen Kinder ihre Gedanken zum Tod festgehalten haben. Ebensolche Gedanken findet man auch im Gästebuch. Da schreibt Katerina: "Ich glaube an Gott, und wenn ich sterbe, bin ich bei ihm." Und Thomas: "Die Ausstellung zeigt schon, daß der Tod zum Leben gehört und wir keine Angst vor ,ihm haben müssen."
Die Ausstellung (für Kinder ab sechs Jahren) steht unter der Schirmherrschaft von Friedrich Schorlemmer. Er schreibt im Katalog: "Angesichts des Todes fragen wir nach dem Leben. Das bekommt seinen Wert vielleicht gerade deshalb, weil es zu Ende geht. Der Tod ist ein Geheimnis. Das Leben ist ein anderes. In dieser Ausstellung können wir dem nachspüren, wir, die noch Lebenden." Peter van Lohuizen
Weitere Literatur: Gerlinde Unverzagt, Erzähl mir was vom Sterben! Mit Kindern über den Tod sprechen. Kreuz Verlag, München, 140 Seiten, broschiert, 14,90 Euro.
Spiel und Tod: Am Computer Herr über Leben und Sterben sein Werden und vergehen oder bleiben: Blick in den Müll und in das "Labor der Unsterblichkeit" |
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