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Um ein Haar hätten sich der Direktor der "Stiftung brandenburgischer Gedenkstätten", Prof. Dr. Günter Morsch, und die "Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950" vor Gericht getroffen. Kurz vor der Eskalation, die beide Seiten einzugehen bereit waren, bat die brandenburgische Wissenschaftsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka die zerstrittenen Parteien an einen Tisch. Morsch und Gisela Gneist, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, einigten sich darauf, von nun an besser zusammenzuarbeiten.
Gisela Gneist, die als 15jährige fünf Jahre lang eingesperrt worden war, hatte sich gegen eine Verdrängung der Opfer des sowjetisch en Speziallagers und Degradierung als "Opfern zweiter Klasse" gewehrt. Die Kritik der ehemaligen Sowjet-Häftlinge richtete sich seit langem gegen Prof. Morsch, dessen bisherige Politik den Eindruck erweckte, als folge er der Politik des Sachsenhausen-Komitees der Häftlinge von vor 1945, in dem Kommunisten ausschlaggebenden Einfluß haben. In unangenehmer Erinnerung ist der Generalsekretär, der vor wenigen Wochen als ehemaliger hoher Stasi-Offizier enttarnt wurde, mit dem Morsch aber lange Zeit vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte, obwohl der Stasi-Mann, wie er erklärte, nie seine Vergangenheit verschwiegen hatte.
Das Faß zum Überlaufen hatte ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung" gebracht, in dem Morsch mit den Worten zitiert wurde, er beobachte mit Sorge, daß die Speziallager-Häftlinge (also die Häftlinge aus der sowjetischen Zeit) ‚aufgewertet , die KZ-Opfer aber ‚abgewertet würden. Laut "Süddeutscher Zeitung" witterte er dahinter "revisionistische Kräfte am Werk, die beim Leid der Opfergruppen ... zu mindestens den Gleichstand herstellen wollen".
Gisela Gneist hatte dieses Interview gegen Morsch verwandt, um durchzusetzen, daß ein neuer, vom Stiftungsdirektor unabhängiger Zuständigkeitsbereich in der Gedenkstätte geschaffen werde, der fortan die Belange der Opfer des Speziallagers ehrlich vertreten könne. Morsch hingegen wurde beschuldigt, zu versuchen, einen Keil zwischen die Opfer zu treiben und ein Gegner einer angemessenen Berücksichtigung auch des Leids der Opfer des (sowjetischen) Speziallagers in der Gedenkstätte zu sein. Hierauf eilte Morsch zu einem Anwalt, beschuldigte die andere Seite, eine Stellungnahme von ihm in einer Zeitung sinnentstellend zu interpretieren und forderte eine Unterlassungserklärung bis zum 21. August. Gisela Gneist wiederum verweigerte die Unterschrift und stellte sich darauf ein, daß der Direktor der Gedenkstätte des Lagers, in dem sie als junges Mädchen jahrelang zu Unrecht inhaftiert war, sie vor Gericht zerre. Dank dem Vermittlungseinsatz von Johanna Wanka wurde dies abgewendet - vorerst. (Berger / Bel) |
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