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Am Beispiel der FDP wird einem unsere schnellebige Zeit ganz besonders bewußt. Nur ein Jahr ist es her, als diese Partei zu einem Höhenflug ansetzte, der sie als "Volkspartei" auf Augenhöhe mit den beiden anderen, Union und SPD, bringen sollte. Heraus aus der Klientel-Ecke einer bloßen Interessenvertreterin der "Besserverdienenden", vorwärts zu neuen Ufern mit der Meßlatte zweistelliger Wahlergebnisse, hieß die Devise.
Zwei Jahre Parteivorsitz von Guido Westerwelle untermauerten die Hochstimmung. Nachdem die Liberalen unter dem allzu nüchternen und auch eher farblosen Vorgänger Wolfgang Gerhardt aus fast allen Landtagen geflogen waren und, wie schon so manches Mal in ihrer Geschichte, auch im Bund an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern drohten, schien sich der Wechsel zu Westerwelle auszuzahlen: Mit Zuwachsraten von drei bis über fünf Prozentpunkten kehrte sie in fast alle Landtage zurück, verteidigte in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ihre Regierungsbeteiligungen und hielt sie, trotz widriger Umstände und innerparteilicher Querelen, in Hessen.
Mit Westerwelle schien der Generationswechsel gelungen, der Makel einer gar zu biederen Honoratiorenpartei abgelegt. Westerwelle selber, ein agiler Alleskönner, brillanter Redner, kaum weniger schlagfertig als der Medienstar Gerhard Schröder, präsentierte sich überall als der liberale Spitzenmann schlechthin. Die Schwätz- und Spaßgesellschaft des für jedwede Mätzchen aufnahmebereiten Fernsehens honorierte das. Und er hatte dabei zwei hervorragende Assistenten: die neue Generalsekretärin Cornelia Pieper, sympathische Ausstrahlung, ebenfalls redegewandt, dazu eine Erfolgsfrau aus dem Osten - und nicht zu vergessen den liberalen "Hans Dampf in allen Gassen", Jürgen W. Möllemann. Hatte dieser doch gerade den größten, aber erfolglosen und zerstrittenen Landesverband Nordrhein-Westfalen wieder auf Vordermann gebracht und schickte sich an, ihn gar zu einem möglichen Koalitionspartner der dort (noch) mit den Grünen regierenden SPD zu machen.
Möllemann war es vor allem, der zuerst Westerwelle und dann mit ihm und über ihn die FDP zu jenem Höhenflug mitriß, der die Liberalen fast über das ganze vorige Jahr hinweg beflügelt hatte. Grundidee war, daß eine liberale Partei doch besonders in dem weder konfessionell noch gewerkschaftlich außergewöhnlich geprägten Deutschland eine "Volkspartei" werden könne oder es doch werden sollte. So schaukelten sie sich hoch zu dem Wahlziel "18", was hieß, mindestens 18 Prozent Wählerstimmen holen zu wollen und ihren Spitzenkandidaten wie bei den Großen "Kanzlerkandidat" zu nennen. Westerwelle verkündete selbstbewußt, er traue sich zu, Deutschland zu regieren.
Grundsätzlich ist es einer demokratischen Partei unbenommen, mit dem Ziel, Volks- und erste Regierungspartei werden zu wollen, anzutreten. Dies aber nun fast ausschließlich mit dem Mätzchen der "18" unter den Schuhsohlen, "Guido-Mobil", Fallschirmsprüngen und anderen Lappalien der Spaßgesellschaft erreichen zu wollen, mußte als Schuß nach hinten losgehen. Da war der peinliche Mißgriff Möllemanns mit dem antiisraelischen Faltblatt nur noch das berühmte "Eins-Zuviel", nicht viel schlimmer einzuschätzen als die antiamerikanischen Ausfälle des Kanzlers und einiger seiner Genossen. Auf jeden Fall hat das die FDP weit hinter ihren Wahlkampf-Start von vor einem Jahr zurückgeworfen.
Ihr traditionelles Dreikönigstreffen in Stuttgart hat da nicht viel reparieren können. Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen war Burgfrieden angesagt. Westerwelle hat seine Position behauptet, ohne sie zu festigen. Der Streit mit Möllemann schwelt weiter, neuer um Generalsekretärin Pieper zeichnet sich ab. Niemand wagt vorauszusagen, wie es in und mit der FDP nach den Landtagswahlen weitergeht. Als kal-kulierbarer Faktor in der Bundespolitik wird sie vorerst nicht gehandelt. Das ist auch nicht nötig. Zunächst sieht alles danach aus, daß sich Rot-Grün wie gehabt weiter über die vielen Klippen der deutschen Politik wurstelt. 2003 droht zu einem weiteren verlorenen Jahr zu werden. Bei allem Aktionismus, der von der Koalition wie von der Union mit Strategiepapieren, Punkte-Programmen und den vielen Einzelvorschlägen ins neue Jahr getragen wurde, war von der FDP nur Nabelschau und Wundenlecken zu vernehmen. Sie wird wohl noch geraume Zeit zur Regeneration brauche |
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