Alle Strecken der Lycker Kleinbahn sollen eingestellt werden

Die kleine Lokomotive faucht auf, Dampf quillt ihr zischend aus allen Ritzen. Ächzen setzen die Kolbenstangen zu den ersten Hüben an, dann drehen sich die Räderchen, de kurze Zug kommt in Fahrt.

Im Zuckeltrab geht es ruckelnd zur Stadt hinaus, vorbei an kleinen Dörfern, durc geheimnisvoll dunkle schattenspendende Wälder. Dann erneut durch weite Felder und Wiese und immer wieder an silbern glitzernden Seen entlang tuckert das Bahnchen. Stundenlan schnauft die Dampflokmotive unermüdlich durch das Land, ein paar mal wird die Fahrt a kleinen Haltestellen unterbrochen. Schulkinder steigen aus. Dann geht es weiter – Blümchen pflücken während der Fahrt verbote

n – bis die Endstation bei Auersber (Turowen) erreicht ist, nur wenige hundert Meter von der alten deutsch-polnischen Grenz entfernt.

Eine Reise in die Vergangenheit, eine Einladung zur Muße und zum Einlassen auf da Tempo einer anderen Zeit, die alle Reisenden verzaubert, ihnen diese Fahrt mit der Lycke Kleinbahn unvergeßlich macht.

Das soll nun aus und vorbei sein. Wenn es nach dem Willen der polnischen Eisenbahn PK geht, werden sämtliche Strecken der Lycker Kleinbahn eingestellt, da sie allesam defizitär seien. Seit dem ersten Mai ist die für den Sommertourismus attraktivste Lini gestrichen. Der Beschluß fiel in der Warschauer Zentrale der PKP, an den Leiter der Bah in Lyck, Waldemar Plonski, hatte sich niemand gewandt.

Gerade diese zuerst geschlossene Strecke hätte während der Reisesaison das meist Geld eingefahren, betonte Plonski gegenüber der polnischsprachigen Zeitung "Gazet Warmii in Mazur".

Übers Jahr gesehen sei die Bahn allerdings ein Zuschußobjekt gewesen und hätt gerade mal die Hälfte ihrer eigenen Unterhaltungskosten eingefahren, begründete Mare Truszkowski von der Warschauer Generaldirektion der PKP den Einstellungsbeschluß Immerhin solle die Schmalspurbahn aber Museumsbahn bleiben, dann allerdings ortsfest.

Ein Aufschrei der Entrüstung ging durch Lyck. Fast hundert Jahre ist diese letzte in Ostdeutschland noch fahrende Kleinbahn alt. Sie hat bis heute ihren festen Platz als Vorortbahn im Lycker Nahverkehrsnetz.

Zwei komplette Linien werden noch befahren, die nördliche nach Turowen und die südliche nach Sawadden am Rajgrod-See, beide also bis direkt an die alt deutsch-polnische Grenze heran.

Viele Bewohner aus den Siedlungen der ehemaligen landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften fahren mit dieser Bahn nach Lyck hinein und zur Arbeit. Wi sie das in Zukunft bewerkstelligen sollen, ist genauso unklar wie die Frage mit welche Verkehrsmitteln die Schüler aus diesen Orten ihre Schulen erreichen sollen.

Entsetzt ist man in Lyck aber vor allem wegen der touristischen Bedeutung de Bummelbahn. In allen Prospekten und Reiseunterlagen wird mit eben dieser Bahn als Hauptattraktion geworben. Sie war bis dato gleichermaßen Hauptanziehungspunkt fü Einzelreisende sowie Gruppen, vom Kajaktransport bis zu Picknickfahrten und organisierte Sonderfahrten, ja selbst zu Draisinenwettrennen reichte das Angebot, erklärt Tadeus Zaremba, Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde Lycks, vor allem die Fahrten unte Dampf seien der Renner gewesen.

1992 war es endlich gelungen, die Bahn ins Register der technischen Denkmale eintrage zu lassen. Urlaub ohne die Bummelbahn und die Veranstaltungen auf den Bahnhöfen sind auc für Vereinsmitglied Jaroslaw Frenczuk, Vizestarost des Kreises Lyck, nicht vorstellbar Er kündigte Protest an.

Bei dem einen Schreiben blieb es nicht, es hagelte böse Briefe kulturhistorisc interessierter Kreise sowie unzähliger Einwohner der Region. Die selbst überrascht Verwaltung war aufgeschreckt und setzte sich an die Spitze der Protestbewegung.

Nun gibt es wieder Hoffnung, daß dieses einmalige Stück ostdeutschen Lebens un ostdeutscher Technikgeschichte erhalten bleibt. In Betracht gezogen wird die Gründun einer kommunalen Gesellschaft, welche die Lycker Kleinbahn übernimmt und – wenn auc eingeschränkt – weiter betreibt.