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Zum ersten Mal seit der Gründung der französischen Nuklearstreitmacht und der Errichtung des Stützpunkts "LIle-Longue", hat sich ein britisches Nuklearunterseeboot, die "Victorious", in diesem Stützpunkt aufgehalten. Das geschah Mitte Februar und dauerte fünf Tage. Ein symbolträchtiger Aufenthalt für einen Flottenpakt, der das schon seit längerer Zeit bestehende Abkommen über die Zusammenarbeit der französisch-britischen Luftwaffe ergänzt und dem exklusiven Bündnis das zweite Stützbein verschafft.
Gleichwohl ist man im französischen Marineministerium eifrig darum bemüht, dieses Ereignis zu relativieren und zu unterstreichen, daß in der Vergangenheit sogar schon US-Unterseeboote nach Brest gekommen seien. Doch diese demonstrative Abrede wird schon deshalb nicht glaubhafter, weil für den Frühling vorgesehen ist, daß ein französisches Nuklearunterseeboot (SNIE) in Schottland auf der Marinbasis von Faslane vor Anker gehen wird. Laut Tageszeitung "Liberation", die an und für sich der Visite des britischen Unterseeboots nur eine Fußnote widmet, soll man diese stillen gegenseitigen Zwischenaufenthalte im Rahmen der militärischen Annäherung zwischen Paris und London verstehen, wie sie bereits im Dezember 1998 in Saint-Malo festgeschrieben wurde. Der britische Verteidigungsstaatssekretär John Spellar erklärte, er sei "entzückt" gewesen, daß der Besuch des britischen U-Boots (SNIX) stattgefunden habe.
Trotz jener Reaktion in London war es unmöglich, eine Meinungsäußerung bei der britischen Botschaft zu erlangen. Es ist, als möchte der britische Konfident in dieser brisant en Angelegenheit in besonderer Weise zurückhaltend bleiben. Ebensowenig war bei der Presseabteilung des Elysée-Palastes etwas zu vernehmen. Man verwies ausweichend unsere Redaktion auf das französische Verteidigungsministerium und dessen Presseabteilung. Alles in allem hinterläßt die Annäherung der beiden westeuropäischen Hauptstädte im Militär- bzw. Nuklearbereich den Eindruck, daß man die Angelegenheit unsichtbarer gehängt sehen möchte.
Abgesehen von zwei kleinen Beiträgen, einer davon in der Tageszeitung "Le Télégramme de Brest" und ein weiterer in "Quest-France", war darüber nichts in der Regionalpresse zu lesen. Die die Visite des britischen U-Boots betreffende Depesche der französischen Nachrichtenagentur AFP war besonders karg.
Im übrigen wird in dieser Angelegenheit deutlich abgewimmelt. So wurde in einer Pressemitteilung des französischen Marineministeriums nachdrücklich darauf verwiesen, daß "trotz dieser Kooperation die strategischen französischen Nuklearkräfte im operativen Bereich unabhängig bleiben. Die Frage der Nuklearabschreckung rückt noch nicht ins Feld der Verstärkung der europäischen Verteidigungseinheit ein. Das verhindert aber nicht, daß verschiedene Hypothesen studiert werden, wie es auch der britische Botschafter in Frankreich gemeldet hat." Laut "Quest-France" schätzt der britische Botschafter in Paris, Michael Jay, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Marineeinheiten könne insbesondere vom Ende des kalten Krieges her erklärt werden, der neue Konstellationen auch im Marinebereich mit sich gebracht hätte. Ein anderer wichtiger Grund sei aber der gemeinsame Wille, die Kooperation zwischen den beiden Nationen zu vertiefen.
Nach dem Flottenkalender "Flottes de combat 2000" besitzt die britische Marine vier Nuklearunterseeboote des Typs "Vanguard" mit einem Gewicht von 14 000 Tonnen. Jedes trägt 16 Missiles Trident 2 D-5 (USA-Produkt), deren Ladung aus sechs bis acht Nuklearsprengköpfen zusammengesetzt ist. Die strategische ozeanische Streitmacht (FOST), die die Hauptkomponente der französischen nuklearen Macht darstellt, wird zudem von vier sich im Dienst befindenden Nuklear-U-Booten (zwei von der neuen Generation) unterstützt. Jedes U-Boot wird gleichfalls mit 16 Missiles mit sechs Nuklearsprengköpfen geladen. Die Reichweite der US-Trident 2 D-5 beträgt 11 000 Kilometer.
Für Britannien, das stark von den USA abhängig ist, wird die Frage auftauchen, ob es bald eine vollständige europäische Militärmacht werden möchte. Umgekehrt kann man die etwaige Nuklearzusammenarbeit zwischen London und Paris nur dadurch erklären, daß sich eine Nuklearstrategie der Nato anbahnt, von welcher sich Frankreich zu de Gaulles Zeiten entfernt hat. Francisco Lozaga / P. F.
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