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Fortwährende gesellschaftliche Schande

 
     
 
Gleich einem Paukenschlag begann die Kieler Landesgruppe der Ostdeutschland im neuen Jahr mit einer großen Kulturveranstaltung im ,,Haus der Heimat“. Der Landesvorsitzende Günter Petersdorf freute sich über ein volles Haus und begrüßte besonders die zahlreichen Ehrengäste.
So war es gelungen, als Referenten den Amerikaner und Kulturpreisträger 2002 der Freundeskreis Ostdeutschland
, Professor Dr. Dr. Alfred-Maurice de Zayas, aus der Schweiz zu gewinnen. Landeskulturreferent Edmund Ferner hielt eine ausführliche Laudatio mit integrierter Biographie über diese bedeutende Persönlichkeit. Er informierte unter anderem darüber, daß der Referent 22 Jahre Beamter der Uno gewesen sei, als literarisch, kulturell und gesellschaftspolitisch engagierter Wissenschaftler in vielfältigen Funktionen tätig war, wertvolle Preise erhielt und dann sehr bekannt wurde durch seine Veröffentlichungen über den Zweiten Weltkrieg und über die Vertreibung der Deutschen.

Obwohl die Vertreibungsverbrechen ihn von Anfang an stark interessierten, hörte er darüber nichts während seines Studiums. Er war entsetzt über diese Tabuisierung. Als Stipendiat kam er schließlich nach Deutschland, und zwar nach Göttingen zu dem namhaften ostdeutschen Professor Dr. Rauschning. Damals lag das Tabu der Tragödie der Vertreibung wie ein Leichentuch über allem. ,,Aber es waren nicht nur die Täter, die Vertreiberstaaten, die diese Schande mit dem Bahrtuch des Vergessens bedeckten. Es waren auch die Bundesdeutschen, die die Vertriebenen oft als ,Ewiggestrige‘ und ,,Revanchisten‘ beschimpften, als diese über ihre geliebte Heimat – Landschaften und Seen, Wälder und Elche – schreiben und sprechen wollten.“
Er betonte, daß Generationen von Vertriebenen und ihre Nachkommen wieder aufgebaut, ihre Kultur bewahrt und neu geschaffen haben. Sie mußten die Ungerechtigkeit erleben, daß immer wieder über das Leid von anderen gesprochen wurde, während dem eigenen Leiden nur Schweigen und Tabuisierung galten.

Der Referent betonte, daß die Thematik nicht erst durch Günter Grass oder gar die bundesdeutschen Neulinken entdeckt wurde. Sie wurde von vielen ernstzunehmenden Historikern in den fünfziger und sechziger Jahren bearbeitet. Sie wurde auch von Menschenrechtsgruppen angenommen, aber nie wurde sie in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Und es wurde nicht ausreichend darüber reflektiert. Vertreibung sei auch heute noch ein Stiefkind der Geschichtsschreibung und ein Stiefkind des gesellschaftlichen Bewußtseins.

Er bedauerte es, daß die Anerkennung des Leidens der Vertriebenen für die Erlebnisgeneration reichlich spät kommt. Viele sind bereits ganz still von uns gegangen, und Prof. de Zayas sieht das als eine fortwährende gesellschaftliche Schande an.

 
     
     
 
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