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Freie Gedanken

 
     
 
"Ich sage mich los:

Von der leichtsinnigen Hoffnung einer Errettung durch die Hand des Zufalls; von der dumpfen Erwartung der Zukunft, die ein stumpfer Sinn nicht erkennen will; von der kindischen Hoffnung, den Zorn eines Tyrannen durch freiwillige Entwaffnung zu beschwören; durch niedrige Untertänigkeit und Schmeichelei ein Vertrauen zu gewinnen; von der falschen Resignation eines unterdrückten Geistesvermögens; von dem unvernünftigen Mißtrauen in die uns von Gott gegebenen Kräfte; von der sündhaften Vergessenheit aller Pflichten für das allgemeine Beste; von der schamlosen Aufopferung aller Ehre des Staates und Volkes aller persönlichen und Menschenwürde!

Ich glaube und bekenne:

Daß ein Volk nichts höher zu achten hat als die Würde und Freiheit seines Daseins; daß es diese mit dem letzten Blutstropfen verteidigen soll; daß es keine heiligere Pflicht zu erfüllen, keinem höheren Gesetz zu gehorchen hat; daß der Schandfleck einer feigen Unterwerfung nie zu verwischen ist; daß dieser Gifttropfen im Blut eines Volkes in die Nachkommenschaft übergeht und die Kraft später Geschlechter lähmen und untergraben wird; daß man die Ehre nur einmal verlieren kann; daß die Ehre des Königs und der Regierung eins ist mit der Ehre des Volkes und das einzige Palladium seines Wohles; daß ein Volk unter den meisten Verhältnissen unüberwindlich ist in dem großmütigen Kampfe um seine Freiheit; daß selbst der Untergang dieser Freiheit nach einem blutigen und ehrenvollen Kampfe die Wiedergeburt des Volkes sichert und der Kern des Lebens ist, aus dem einst ein neuer Baum die sichere Wurzel schlägt!

Ich erkläre und beteuere der Welt und Nachwelt:

Daß ich die falsche Klugheit, die sich der Gefahr entziehen will, für das Verderblichste halte, was Furcht und Angst einflößen können; daß ich die wildeste Verzweiflung für weiser halten würde, wenn es uns durchaus versagt wäre, mit einem männliche
n Mute, das heißt: mit ruhigem, aber festem Entschlusse und klarem Bewußtsein der Gefahr zu begegnen; daß ich die warnenden Begebenheiten alter und neuer Zeit, die weisen Lehren ganzer Jahrhunderte, die edlen Beispiele berühmter Völker nicht im Taumel der Angst unserer Tage vergesse und die Weltgeschichte hingebe für das Blatt einer lügenhaften Zeitung; daß ich mich rein fühle von jeder Selbstsucht; daß ich jeden Gedanken und jedes Gefühl in mir vor allen meinen Mitbürgern mit offener Stirn bekennen darf; daß ich mich nur zu glücklich fühlen würde, einst in dem herrlichen Kampfe um Freiheit und Würde des Vaterlandes einen glorreichen Untergang zu finden!

Verdient dieser Glaube in mir und in den mir Gleichgesinnten die Verachtung und den Hohn unserer Mitbürger? Die Nachwelt entscheide hierüber! Auf dem heiligen Altare der Geschichte lege ich dieses leichte Blatt nieder, im festen Vertrauen, daß, wenn der Sturm der Zeit es hinwegweht, einst ein würdiger Priester dieses Tempels es sorgfältig aufheben und in das Jahrbuch des vielbewegten Völkerlebens einheften werde. Dann wird die Nachwelt richten und von dem Verdammungsurteile die ausnehmen, welche dem Strom der Verderbtheit mutig entgegengerungen und das Gefühl der Pflicht treu wie einen Gott im Busen bewahrt haben." Carl v. Clausewitz

in "Drei Bekenntnisse" , Februar 1812
 
     
     
 
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