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Freiräume in der Arche Noah - eine siebenbürgisch-sächsische Dorfgemeinschaft

 
     
 
Herr Lückert, wie würden Sie den zwischenmenschlichen Umgang in Malmkrog im Vergleich zum Alltag in Deutschland beschreiben?

Lückert: Zumindest in Berlin ist es so, daß man oft nicht einmal seine Nachbarn kennt und sich selbst im eigenen Treppenhaus kaum grüßt. Auf der zwischenmenschlichen Ebene läßt sich in Deutschland eine gewaltige Verarmung feststellen.

In Malmkrog gibt es demgegenüber ein ausgeprägtes Miteinander; man nimmt Anteil an den Ereignissen, sei es, daß man sich auf der Straße begegnet, es einen Unfall gibt oder jemand stirbt. Viele ausgewandert
e Sachsen vermissen das. Hier gibt es eine Frau, die von ihrem Arzt in Deutschland verschrieben bekommt, einmal im Jahr "siebenbürgische Luft" zu atmen, damit sich ihr körperlicher und vor allem wohl seelischer Zustand stabilisiert.

Ein ungewöhnliches Rezept...

Lückert: ... eines klugen Arztes.

Sie haben gesagt, daß jedes Dorf hier einem Mikrokosmos gleicht. Ist das der Grund, warum sich die ca. 15 000 heimatverbliebenen Sachsen trotz ihrer Vereinzelung nicht konzentrieren?

Lückert: Ja, genau. Man ist viel stärker als in Deutschland auf den Ort fixiert, in dem man geboren und aufgewachsen ist. Das wirkt sich auch auf die Rückkehrthematik aus. Es wäre natürlich im Interesse der Verbliebenen und wird auch von rumänischer Seite als erstrebenswert bezeichnet, wenn eine größere Zahl Aussiedler wiederkäme.

Aber die Rückkehrwilligen können eigentlich nur in den alten Heimatort. Doch wenn aus der vertrauten sächsischen Gemeinschaft von einst nur noch fünf, acht oder vierzehn Leute da sind, ist diese praktisch verschwunden. Dann ist nur noch ein in jeder Hinsicht extrem schwerer Neuanfang möglich.

Sind überhaupt ausgewanderte Malmkroger in ihr Dorf zurück?

Lückert: Eine Handvoll vielleicht. So wie es überall in den deutschen Siedlungsgebieten Siebenbürgens einzelne Rückkehrer gibt, aber aus den genannten Gründen keine größeren und konzentrierten Niederlassungen. Es besteht sogar ein Rückkehrerverein "Arche Noah".

Wie verdienen die Malmkroger heute ihren Lebensunterhalt?

Lückert: Die meisten sind Selbstversorger: Sie bauen Obst und Gemüse an, machen Kraut für den Winter ein und haben eigenen Wein und Schnaps. Geld können sie nur durch die Milch der Kühe oder Büffel verdienen. Es gibt im Dorf eine Sammelstelle, wo sie etwa 5000 Lei (0,50 DM) für den Liter bekommen.

Große Sprünge lassen sich damit nicht machen. Schließlich ist es für hiesige Verhältnisse schon viel, wenn ein Bauer annähernd zehn Kühe im Stall hat. Der Normalfall ist eine Kuh und vielleicht noch ein Büffel. Auch für die Subsistenzbauern fallen Kosten an, beispielsweise die Steuer auf den Hof in Höhe von etwa 500 000 Lei pro Jahr (ca. 50,- DM), und bald sollen auch die landwirtschaftlich genutzten Flächen besteuert werden. Deshalb fürchten etliche, zu viel Grund zu besitzen.

Inwiefern kann angesichts dieser Zustände Hilfe aus dem Ausland nützen?

Lückert: Direkt nach der Wende kamen häufig ganze Laster mit Hilfslieferungen an, klappten die Türen auf, und die Leute sollten sich bedienen. Das schuf viel böses Blut im Dorf. Jeder hatte das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein.

So hat man in Malmkrog meines Wissens beschlossen, daß Lieferungen in großem Stil nicht mehr ins Dorf kommen sollen. Die Sachen müssen in Großlasseln am Anfang des Tales abgeladen werden, wo es einen Gebrauchtwarenladen gibt. Jeder kann sich dort für wenig Geld mit der nötigen Kleidung eindecken. Das ist eine gute Sache, denn der Laden ist an ein Krankenhaus und Altenheim angeschlossen, denen alle Einnahmen zufließen.

Sonst regelt sich vieles von selbst. Denn die Leute sind genauso schlau wie in Deutschland und suchen nach Wegen, um weiterzukommen. Wenn man von außen mit viel Geld eingreift, bewirkt man oft in kurzer Zeit etwas, was die Einheimischen irgendwann selbst geschafft hätten. Aber man beraubt sie der Freude über die eigene Leistung.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Lückert: Denken Sie an manche alten Häuser in Malmkrog, die verfallen, weil die Bewohner sie nicht pflegen. Kämen für diese Gebäude Finanzhilfen aus dem Ausland, würden all jene bestraft, die mit viel Mühe ihr Haus instand halten. Auch Arme können dies. Sie müssen jedoch beim Alkohol und anderen entbehrlichen Dingen sparen.

Fällt Ihnen etwas wirklich Sinnvolles ein, was man von außen tun könnte?

Lückert: Eine Förderung der großen Landwirtschaft wäre zweifellos gut. Es gibt in Malmkrog eine kränkelnde Staatsfarm mit unklaren Besitzverhältnissen, wo viele Arbeitsplätze bedroht sind. Die Vorteile einer ausländischen Investition wären beidseitig, denn man könnte Dinge probieren, die im Westen wegen der hohen Löhne kaum machbar sind – etwa der biologische Anbau von Obst, Gemüse oder Heilpflanzen.

Vielen Dank für dieses Interview!

Das Gespräch führten M. Schmidt und B. Widmer.

 
     
     
 
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