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So wie das Eis schmilzt, wenn der Winter sich dem Ende neigt, so ist auch das Jahr der Bibel verflossen. Doch vergessen ist dieses Thema deswegen noch lange nicht. Zum ersten Mal kann man in der Hansestadt Lübeck vor dem Holstentor noch bis zum 25. Januar eine Ausstellung mit Skulpturen aus Eis sehen, auf der biblische Themen unter der wenig christlichen Bezeichnung "Ice World" gezeigt werden. Auf diese ungewöhnliche Art werden die Besucher in die Welt des Alten und des Neuen Testaments geführt. (Öffnungszeiten Montag bis Sonntag 10 Uhr bis 21 Uhr. Eintrittspreise: Erwachsene 8 Euro, Kinder [4-12 Jahre] 4 Euro).
Nachdem man eine thermische Schleuse durchschritten hat, die verhindern soll, daß Wärme in das Ausstellungszelt gelangt und den Skulpturen Schaden zufügt, eröffnet sich dem Betrachter gleichsam eine unwirklich erscheinende Märchenwelt. Aus dem Dunkel des Raumes erheben sich Sonne und Mond in Gestalt kristallener Gestirne, die sanft schimmernd angestrahlt werden. Auf gewundenen Pfaden geht es an Schneewänden entlang zu immer neuen Szenen. Man begegnet Martin Luther und auch Adam und Eva. Hinter einer Wegbiegung taucht die Arche Noah auf, in ein helles, rosafarbenes Licht getaucht. Auf seiner Wanderung durch die Eislandschaft entdeckt der Besucher auch Moses, Josef und den Pharao, Simson und Delila sowie David in seinem Kampf gegen Goliath. Fast im Zentrum der Ausstellung dann die Ankündigung der Geburt Jesu durch den Erzengel Gabriel, die Geburt Jesu und schließlich der Besuch der Weisen, die durch den Stern von Bethlehem angelockt wurden. Allerdings bleibt für den weniger bibelfesten Besucher oder bei zeitweise starkem Publikumsandrang vieles verborgen und wird erst hinterher beim Betrachten von Fotos deutlich, da erklärende Hinweistafeln bei den Skulpturen leider fehlen. Weiter führt der Weg vorbei an Jesus inmitten seiner Jünger beim letzten Abendmahl, und durch die Himmelspforte mit Petrus geht es dem Ausgang zu. Halb versteckt hinter Tannen lauert der Teufel. Und wieder führt der Weg nach draußen durch eine thermische Schleuse.
Wie nur entsteht solch eine frostig-schöne Winterlandschaft, fragt sich der interessierte Besucher. - Eis-skulpturen werden aus speziell angefertigten Eisblöcken hergestellt, die aus Ingelmunster (Westflandern in Belgien) in Blöcken von zwei Metern Länge, einem Meter Breite und sechzig Zentimetern Dicke in Lübeck angeliefert wurden. Bei minus 30 Grad Celsius wurde das Wasser in Behältern zu kristallklaren Blöcken gefroren. Mit Hilfe von Bulldozern wurden die Eisblöcke an ihrem Bestimmungsort in einem thermischen Zelt, in dem permanent eine Temperatur von minus zehn Grad gehalten werden muß, plaziert. Anschließend konnten sich die Künstler mit Kettensägen, Meißeln, Hacken, aber auch mit feineren Werkzeugen wie Schleifmaschinen, Dampfbügeleisen und Pinseln ans Werk machen.
Die Herstellung der Schneeskulpturen erfolgt in einer anderen Technik. Da natürlicher Schnee in unseren Breiten meist ausbleibt, muß man ihn künstlich herstellen. Vom Künstler erfordern Schneeskulpturen etwas mehr Erfahrung, weil zunächst Rohformen angefertigt werden müssen, die, wenn sie genügend hart gefroren sind, später mittels einer Schneekanone gefüllt werden. Danach muß der Schnee weitere drei Tage lang frieren, ehe er künstlerisch gestaltet werden kann. In Lübeck wurden insgesamt 200.000 Kilo Schnee und 350.000 Kilo Eis für den Bau der Skulpturen verwendet. 25 Künstler aus Kanada, Amerika, Estland, Finnland, Venezuela, Frankreich, Tschechien, Rußland und den Niederlanden haben zwei Wochen lang gearbeitet, um den Schnee- und Eisskulpturenpark herzustellen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen!
Julian Mühlbacher
Eisige Weise: Auf dem Weg nach Bethlehem |
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