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Gedanken für Intellektuelle

 
     
 
Endlich hat Kanzler Schröder seine eitlen Brioni-Anzüge essen müssen und ist im hohen Bogen aus dem Partei-Chefsessel geflogen. Nachfolger Müntefering konnte sich vor Freude über seinen Aufstieg kaum einkriegen. Nur Papst sein sei schöner als SPD-Vorsitzender, flötete der Glückliche in die Kameras. Er muß dabei an die Zeit der Reformation gedacht haben, als dem Heiligen Stuhl gerade ein Bistum nach dem anderen auseinanderflog. In den SPD-Landesverbänden ist der Glaubenskrieg jedenfalls voll entbrannt: Überall schichten die roten Häscher ihre Scheiterhaufen auf und machen Listen von denen, die brennen
sollen.

Als erste kommen die dran, denen man schon immer ans Zeug wollte: Unternehmer, "Reiche" und andere Idioten, die ihr Vermögen in Deutschland aufbewahren, statt es wie rot-grüne Spitzenpolitiker in der Toskana anzulegen: Ausbildungsplatzabgabe, Erbschaft- und Vermögensteuer machen nur den Anfang. Später sehen wir weiter. Die alte sozialistische Weisheit sagt: Damit das Volk Filz und Pfusch nicht krummnimmt, mußt du ihm kleine Geschenke machen, immerzu. Die holt man dort, wo noch Geld zu finden ist. Indes, was geschieht, wenn alles weggesteuert, gepfändet oder außer Landes geschmuggelt wurde? Wenn der Pöbel rebelliert, weil s nix mehr gibt und alles zusammenkracht? Keine Sorge, die Geschichte des Sozialismus hat für derlei Verlegenheiten einen Plan B in der Schublade: Panzer.

Erst vor diesem martialischen Hintergrund wird der Sinn der wundersamen Ernennung von Klaus Uwe Benneter zum neuen SPD-General (Spiegel: "Am Samstag hielten es viele noch für einen Witz") erkennbar. Benneter war Schröders Vorgänger als Juso-Chef. Er mußte 1977 die Partei verlassen, weil er sie mit der DKP vermählen wollte - der westdeutschen Filiale der SED. Die Ostberliner Genossen hatten in den Fünfzigern ausgiebig studiert, welch fabelhafte Überzeugungskraft ein Panzerbataillon auf verbiesterte Querulanten ausübt. Kein Wunder also, daß Benneter die spießige Abgrenzung der SPD von den Kommunisten beenden wollte, was ihm damals leider nur auf Juso-Ebene gelungen war. 1983 holte Schröder seinen alten Freund zurück in die Partei, wissend: Den brauchen wir nochmal. Jetzt haben wir ihn. Wenn es soweit ist, kann er auf den reichen Erfahrungsschatz seiner SED-Freunde zurückgreifen. Allerdings ahnen die Genossen, daß es mit der jüngsten Umgruppierung an der Parteispitze nicht getan ist, und rufen nach einer Kabinetts- umbildung.

Dafür ist es in der Tat höchste Zeit, schließlich ist Verteidigungsminister Struck unter dem Etikett "Bundeswehrreform" im Begriff, nach und nach alles Material zu verschrotten, das man für die bewaff-nete Kommunikation mit dem Volk nun einmal benötigt. Er gehört ausgewechselt. Nicht minder fehl am Platze ist Verkehrsminister "Mautfred" Stolpe. Der wollte den Posten ja sowieso nicht, er hat ihn, wie er damals tapfer bekannte, nur "aus Verantwortung für die Sache" übernommen. Die "Sache" ist mittlerweile im Gelächter der ganzen Welt untergegangen, weshalb es für Stolpe eigentlich nichts mehr zu tun gibt. Seine Erfahrungen mit einem deutschen Geheimdienst, die ihm den Ehrentitel "IM Maut" eingetragen haben, prädestinieren ihn statt dessen für einen weit verantwortungsträchtigeren Job: Geheimdienstbeauftragter. Daß Stolpe für das Gewerbe von Horch und Guck wie geschaffen ist, beweist auch die Tatsache, daß er Einzelheiten aus seinem Leben sogar dann noch eisern verschweigt, wenn sie sonst längst jeder weiß und hemmungslos herumplappert. Ein Profi eben.

Gerhard Schröder will es aber wohl erst einmal mit Bewährtem versuchen und verspricht einen "Neuanfang". Das klingt beruhigend, mit Neuanfängen sind wir vertraut. Den ersten machte Schröder gleich mit Amtseinführung 1998. Im April 1999 trat überraschend der damalige Parteichef Lafontaine zurück. Schröder übernahm die Stelle selbst und verkündete einen "Neuanfang". Im September desselben Jahres ver-paßte die Landtagswahl an der Saar der SPD eine demütigende Niederlage. Schröder umschrieb die Bereitschaft zum Neuanfang mit den Worten "Wir haben verstanden". Mitte 2001 zog das Chaos in der Regierungspolitik immer weitere Kreise, weshalb der Kanzler einen Neuanfang machte und ab nun die "Politik der ruhigen Hand" verordnete - wer nichts macht, macht nichts falsch. Weitere Neuanfänge folgten nun in immer dichteren Abständen bis zur "Agenda"-Verkündung im April 2003. Danach wurde es etwas ruhiger. Bis letzte Woche. Das Tempo erhöht sich wieder, denn bald steht schon der nächste Neuanfang an: Der bevorstehende SPD-Parteitag wird die "Agenda 2010" vermutlich weitgehend kassieren, um an die schönen Zeiten davor anzuknüpfen. Wie sagte Münte noch im Herbst 2002? "Der Staat muß eben mal richtig Geld in die Hand nehmen, um seine Aufgaben zu bewältigen!"

In Hamburg zittern die Genossen, ob der große Wurf für die dortigen Wahlen am 29. Februar nicht zu spät kommt. Gut, etwas heller sieht es ja schon aus. Nachdem sämtliche Umfragen die Roten an der Alster immer tiefer sinken sahen, erbarmte sich der NDR und gab eine in Auftrag, die die SPD wieder leicht im Plus verbuchte. Doch ob s hilft? Der SPD-Wahlkampf kommt selbst im eigentlich roten Hamburg nicht richtig auf Touren. Das, obwohl die Sozialdemokraten ihre Kampagne mit den modernsten Methoden des Marketings von langer Hand vorbereitet haben.

"Product placement" nennen die Amis das, was früher als "Schleichwerbung" verpönt war: Man hievt seine Ware klammheimlich ins normale Programm, statt die Werbung als solche zu kennzeichnen. So strahlt Pro 7 seit Jahren eine Zei-chentrickserie aus, in der unverkennbar das Ebenbild von SPD-Kandidat Thomas Mirow mit von der Partie ist. Die Sendung heißt "Die Simpsons" und läuft wochentäglich ab 18.55 Uhr. Der beste Freund von Hauptfigur Bart, der kleine Milhouse, ist Mirow wie aus dem Gesicht geschnitten, samt Brille, Seitenscheitel und treudoof-linkischem Blick. Auch sonst ist alles wie beim SPD-Kandidaten: Milhouse ist ein Streber ohne eigene Ausstrahlung, er wäre gern so ein Radaubruder wie Bart, ist dafür aber leider zu feige. Manchmal rebelliert Milhouse zaghaft, doch die unbeholfenen Wutausbrüche sind selten und enden mit schlechtem Gewissen, weil er es eigentlichen allen recht machen will. Ob ihm das in Hamburg gelingt?

Geschickt ins Programm gehievt: SPD-Mirow in echt (links) und als Pro-7-Zeichentrickfigur "Milhouse"

"Wollt ich in den Reichstag geh n / wollte Mehrheit sichern / stand ein bucklig Männlein da / fing gleich an zu kichern"
 
     
     
 
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