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Die Brille als optisches Präzisionsinstrument ist doch eine viel zu ernste Angelegenheit, als daß man sie durch derartige Mätzchen gleich Ohrringen und Armbändern zu Modeartikeln macht", las man vor 80 Jahren in der Deutschen Optischen Wochenschrift. Wie sehr haben sich die Zeiten doch gewandelt. Längst ist aus dem guten alten "Nasenfahrrad" ein Modeartikel geworden. Wer etwas auf sich hält und das nötige Kleingeld hat, trägt sogar eine Designerbrille. Wenn Spötter einst frotzelten: "Mein letzter Wille - eine Frau mit Brille", so gibt es heute sogar Männer, die Brillen auf der Nase ihrer Liebsten geradezu erotisch finden. Noch 1953 irrte Marilyn Monroe, das Sexsymbol ohnegleichen, als Fotomodell Pola in dem Film "Wie angelt man sich einen Millionär" ohne Sehhilfe halbblind durch das turbulente Geschehen, aus Angst, eine Brille könnte sie entstellen. Und in der Tat: 60 Prozent aller Brillenträgerinnen halten sich selbst mit Brille für nicht attraktiv. Schon der große Johann Wolfgang von Goethe stöhnte: "So oft ich durch eine Brille sehe, bin ich ein anderer Mensch und gefalle mir nicht."
Prominente Fehlsichtige unserer Zeit haben mittlerweile allerdings den Mut, zu ihrem kleinen "Makel" zu stehen. Allen voran die griechische Sängerin Nana Mouskouri, die bereits seit Jahrzehnten mit ihrer schwarzgerandeten Brille auftritt. Brille ist wieder "in": die Popikone Anastacia, Elton John oder auch Harry Potter tragen sie selbstbewußt, unterstreichen damit gar ihre Persönlichkeit.
Bis ins 18. Jahrhundert haben Historiker zurückverfolgt, daß Brillen ohne medizinische Notwendigkeit als reine Modeerscheinung getragen wurden. Kein Wunder also, wenn Brillen sogar den Weg ins Museum fanden. So kann das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg vier Designer-Damenbrillen aus den 80er Jahren als Neuzugänge verzeichnen: eine Brille stammt von der Hamburger Modemacherin Jil Sander, eine Sonnenbrille vom Genueser Brillenmacher Patrizio Sabbadini und zwei von Cazal.
Vergleicht man das moderne Design mit historischen Brillengestellen, kann man sich heute durchaus glück-lich schätzen. Schließlich kennt man die jetzt übliche Befestigung mit Nasenauflage und Bügeln hinter dem Ohr erst seit dem frühen 20. Jahrhundert. Einst zwickte man die Brille auf die Nase, klemmte sie an einen Hut oder gar an die Augenbrauen. Welch eine Qual!
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