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Gedanken für Intellektuelle

 
     
 
Warum die SPD in Bayern derart versackt ist, läßt sich nach der Wahl natürlich viel besser erklären als davor. Zerknittert trat Generalsekretär Olaf Scholz vor die Kameras, klärte uns mit der ernsten Mine des klugen Analytikers darüber auf, daß die vernichtende Niederlage eine, sagen wir mal, vernichtende Nie-derlage gewesen sei, und dankte den verbliebenen Anhängern seiner Partei in Bayern. Eine öde Vorstellung, die einiges über den zerlumpten Zustand der deutschen Sozialdemokratie zutage fördert, denn: Die Zahl der SPD-Anhänger hinter der Rhön ist schließlich derart geschrumpft, da hätte Scholz ruhig selbst hinfahren und sich bei den wenigen Verbliebenen persönlich bedanken können. Mit einem kleinen Blume
nstrauß. Oder Schnaps-pralinen zum Selbertrösten.

Oder mit einer Packung Munition. Die Madrider Tageszeitung El País hat nämlich herausgefunden, daß Bayern für die Sozialdemokraten nunmehr "Komantschenland" geworden ist - in Anspielung auf einen Indianerstamm, mit dem erst die spanischen Konquistadoren, später die Amis ihre liebe Not hatten. So hocken denn die in die Knie gegangenen Alpen-Sozis zwischen ihren verkokelten Planwagen, umschwirrt von den Pfeilen bajuwarischer Schwarzfußhorden, und General Scholz schnattert wohlfeil aus der Etappe. Igitt.

Aber hätten die Bayern-SPDler ihren Feldherrn überhaupt erkannt, wenn er ihnen zur Seite geeilt wäre? Zweifel keimen auf. Das Satire-Magazin Titanic machte die Probe und schickte seinen Chefre-dakteur nach Aschaffenburg, wo er sich frech als SPD-Spitzenkandidat Maget ausgab. Keinem der Passanten dämmerte, daß der ganz anders aussieht. Nicht mal bekennenden SPD-Wählern. Auch die recht eigenwilligen Wahlsprüche machten niemanden stutzig: "Wir geben auf. SPD" stand da in großen Lettern neben dem Motto aller hoffnungslosen Olympia-Teilnehmer: "Dabei sein ist alles. SPD". Den mitgebrachten roten Kleinbus zierte das Versprechen: "Mit Anstand verlieren. SPD". Die Aschaffenburger zweifelten keinen Moment an der Echtheit der scheinbaren SPD-Kämpen. Da konnte der Titanic-Mann auch, ohne aufzufallen, alte Autogrammkarten des im Februar gescheiterten hessischen SPD-Kandidaten Bökel als Maget-Kärtchen unters Volk bringen. So hatten die umworbenen Wahlbürger theoretisch gleich drei verschiedene "Maget"-Gesichter zur Auswahl: das von Bökel, das des Titanic-Schelmen und das echte. Sie nahmen s hin, ohne Verdacht zu schöpfen.

Die CSU sonnt sich mit kecker Siegerfratze in ihrem Triumph. Denen wird das Lachen vergehen, wenn der Rechnungshof klingelt: Wie ist es zu rechtfertigen, daß alle fünf Jahre Millionen bayerischer Steuer-Euro verpulvert werden für ein groteskes Spektakel namens "Landtagswahl", dessen Ausgang so kalkulierbar ist wie weiland Abstimmungen im Obersten Sowjet? Bloß damit der von der königlich-bayerischen Staatspartei ausgekungelte "Kandidat" anschließend feixend ins Blitzlichtgewitter blecken darf? Eine ungeheure Verschwendung. Nur einer, der nicht mehr unter uns weilt, darf sich ungetrübt freuen über den vergangenen Sonntag. Möllemanns "Projekt 18" wollte die FDP ja nicht mehr haben. Jetzt geht es den Liberalen wie einem Unternehmer, der eine gute Idee schuldhaft vom Tisch fegt - die Konkurrenz holt sie sich. Diesmal waren es die bayerischen Sozialdemokraten, die mit der Sicherheit eines routinierten Fallschirmspringers beinahe punktgenau auf der Achtzehn niedergingen.

Das ist immerhin doch ein kleiner Erfolg, der neuen Schwung bringen wird für den Reformeifer in Berlin. Allerdings, so bedauern die Regierenden, verstehe das Volk eben nicht immer, was man ihm sagen wolle. Der arg gezauste Maget setzte noch eins drauf und räsonierte: Man müsse "die Sorgen der Menschen ernst nehmen". So spricht man über Kinder im Zahnspangenalter ("Er spinnt, aber wir müssen ihm das Gefühl geben, ernst genommen zu werden, pädagogisch gesehen und so ...") oder über Leute, die zwischen Nase und Hinterkopf ein ziemliches Problem haben ("Sagen Sie jetzt ja nichts Falsches, das könnte sein Gleichgewicht völlig aus den Fugen werfen!"). Solche Behandlung verbitten wir uns. Wir verstehen jedes Wort. Montag sagte der Kanzler, "Deutschland steckt mittendrin in einem Reformprozeß". In der Tat "stecken wir drin", und zwar bis zum Hals. Das wußten wir schon, bevor es uns der Kanzler "kommuniziert" hat. Nur daß wir der Pampe, in der wir versinken, einen anderen Namen geben würden als ausgerechnet "Reform".

Man müßte eben ganz woanders ansetzen, um das Land wieder flottzumachen. Als erstes bei der Verschwendung. Seit der "NPD-V-Mann-Affäre" wissen wir, daß sich unsere Regierungsorgane eine stattliche Schar bezahlter Staats-Nazis halten. Dagegen ist an sich ja nichts einzuwenden. Das schafft Arbeitsplätze in den Verfassungsschutz-ämtern und hilft, aller Welt ein charakteristisches Bild von Deutsch- land einzuprägen. Das ist wichtig, denn: Auch ein Wirtschaftsstandort braucht ein markantes Gesicht, predigen die Marketing-Experten. Zudem haben nicht zuletzt die Medien und ihre Kunden viel Spaß an den spannenden Geschichten. Wie jetzt wieder an den Enthüllungen von München. Indes gilt gerade in Zeiten "knapper Kassen" (ein sel-ten blöder Ausdruck! Knappe Kassen ...), gilt also besonders in diesen Tagen: Maß halten.

Einen ganzen Tisch voll Waffen unterschiedlichster Art, Propaganda-Material und Hitlerbildchen hat man vor uns ausgebreitet. Daran hing den Angaben zufolge ein Rattenschwanz von Profi-Braunen aus dem gesamten Bundesgebiet, ein regelrechtes Netzwerk. Was das gekostet haben muß! Ja, ja, sicher bringt es soziale Härten mit sich für die Betroffenen, wenn auch hier gekürzt wird. Doch angesichts der dramatischen Finanzlage müssen sogar heilige Kühe dran glauben. In einem ersten Schritt könnten die Innenminister ihre Nazi-Etats im Rahmen des Subventionsabbaus um sanfte 20 Prozent runterfahren, dann spähen wir weiter.

Wozu brauchen wir die braunen Terroristen-Imitate eigentlich noch? Hat uns Struck nicht versprochen, daß wir in Afghanistan viel bessere finden werden? Und hat er nicht Wort gehalten? Deutschlands Terrorbedarf wird am Hindukusch gedeckt, hat er gesagt. Na bitteschön: Zu welchem Zweck leisten wir uns dann den dilettantischen Hitleristen-Stadl in Münchens Hinterhöfen? Seit kurzem durchstöbern unsere Jungs schon das nordafghanische Kundus und bald vielleicht sogar Bagdad. Da dürften wir was zu sehen kriegen, wogegen die heimischen Laienspieler keinen Stich mehr einsacken werden.

"Landtagswahlen" in Bayern sind ein Fall für den Rechnungshof: Wozu das Spektakel?
 
     
     
 
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