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Sportfreunde können sich in diesem Sommer wahrlich nicht beklagen. Für Aufregung ist genügend gesorgt. Gerade hatten sich die Gemüter beruhigt und die doch so schmähliche Niederlage der deutschen
Fußball-Nationalelf während der Europameisterschaft ad acta gelegt (von Interesse ist nur noch, wer die "bösen Buben" weiterhin trainiert), da kam auch schon die nächste Schlappe. Jan Ullrich strampelte nicht so wie erwartet durch Pyrenäen und andere landschaftliche Schönheiten unseres Nachbarlandes. Doch auch Lance Armstrong & Co. haben mittlerweile ihre Drahtesel in die Garage gepackt, nun heißt es für die Olympioniken die Daumen drücken. Am 13. August beginnen die Olympischen Spiele in Athen. Bis zum 29. August werden 10.500 Sportler in 28 Sportarten oder besser 37 Disziplin en um Gold, Silber und Bronze wetteifern. Rund vier Milliarden Zuschauer an den Fernsehgeräten in aller Welt werden verfolgen, wie 301 Medaillen an die Sieger vergeben werden. Für Olympia anerkannt wird eine Sportart übrigens erst, wenn sie in mindestens 75 Ländern auf vier Kontinenten betrieben wird. Diese Zahlen gelten für Sportarten, die von Männern ausgeübt werden, bei Frauen sind es 40 Länder auf drei Kontinenten.
Einer alten Sage zufolge geht der Ursprung der Spiele auf Oinomaos, König von Pisa in Elis, zurück. Er hatte die Vorahnung, daß er sterben würde, sollte seine Tochter Hippodameia heiraten. Als dann Pelops um die Hand der Schönen anhielt, wollte der König seine Tochter nur dann freigeben, wenn Pelops ihn im Wagenrennen besiegen würde. Durch einen miesen Trick brachte Pelops seinen Schwiegervater in spe zu Fall, der starb noch an der Unglücksstelle. Pelops und Hippodameia aber heirateten ... Zu Ehren des Königs veranstaltete das Volk nun seitdem große Sportveranstaltungen. Die Historiker hingegen schreiben das Jahr 776 v. Chr. als das Gründungsjahr der Olympischen Spiele fest. Damals veranstaltete man im griechischen Olympia zu Ehren des Göttervaters Zeus die ersten Spiele. In der Antike gab es maximal 18 Wettkämpfe; die Sieger erhielten einen Kranz vom Ölbaum und wurden als Helden verehrt. Wettreiten und Wagenrennen, Diskuswurf oder Weitsprung, Speerwurf oder Stadionlauf und Ringen standen auf dem Programm. Doch nicht nur in Olympia wurden die Kräfte gemessen; auch in Delphi, Korinth und Nemea gab es große Sportveranstaltungen, auf denen Siegerkränze vergeben wurden. Schon im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. gab es in Griechenland um die 50 weitere Wettkämpfe dieser Art in verschiedenen Städten. Im 2. Jahrhundert n. Chr. schätzt man die Zahl der Wettkämpfe auf 500! Neben den sportlichen Wettkämpfen gab es auf den Panathenäen (Wettkämpfen zu Ehren der Stadtgöttin Athena) auch Wettbewerbe in Flötenspiel und Homer-Rezitieren. Frauen maßen sich im Wollekämmen, und es gab sogar Veranstaltungen, bei denen gefragt wurde: "Wer ist der schönste Greis?" - Die moderne Suche nach dem Superstar mutet dann gar nicht mehr so absurd an.
Einen Eindruck von Sport und Spiel in der Antike vermittelt eine Ausstellung in den Staatlichen Antikensammlungen am Königsplatz, 80333 München, wo bis zum 31. Mai 2005 unter dem Titel "Lockender Lorbeer" kostbare Exponate vornehmlich aus eigenen Beständen gezeigt werden (täglich außer montags 10-17 Uhr, mittwochs 10-20 Uhr). Über 120 Vasen mit Bildern zu diesem Thema sind in München ebenso zu sehen wie einige Amphoren, die, einst mit Öl gefüllt, als Preise dienten. Terrakotta- und Bronzefiguren, aber auch Geräte wie ein antiker Diskus oder Salbfläschchen werden gezeigt. Abgüsse von wenigen erhaltenen antiken Siegerstatuen runden das Bild ab.
Nicht lange erhalten bleiben werden Statuen, die noch bis zum 5. September in Travemünde an der Ostsee zu sehen sind. Zu anfällig gegen Wind und Wetter sind die Skulpturen und Reliefs, die derzeit auf einem rund 10.000 Quadratmeter großen Areal an der Mündung der Trave in die Ostsee stehen. Auch wenn sie mit allerlei Tricks gegen die Wetterkapriolen geschützt werden, so sind diese Kunstwerke, die bis zu elf Meter hoch sind, schließlich nur aus Sand gebaut. Kein gewöhnlicher Sand, wie ein Knirps von etwa acht Jahren die Umstehenden fachkundig belehrte, sondern "Sand aus Holland, viereckige Körner sind das, die halten besser" bildet die Grundlage für die äußerst kunstvollen Skulpturen und Reliefs, die 75 Künstler aus aller Welt zum Thema "Mythos Olympia" in etwa fünf Wochen schufen. Gut 9.000 Tonnen Sand haben sie verbaut und so die Geschichte der Olympischen Spiele auf dem Priwall lebendig werden lassen (Öffnungszeiten: montags bis donnerstags 10-23 Uhr, freitags bis sonntags 10-24 Uhr; Eintritt 6 Euro, für Gruppen ab 15 Personen 5,50 Euro).
Angefangen bei der Sage um Oinomaos und Pelops über die antiken Spiele bis hin zu den Spielen der Neuzeit kann man die Geschichte durchwandern und dabei auch vielerlei Kurioses entdecken. Da trägt der tote Oinomaos aus der Sage doch tatsächlich einen Zettel am großen Zeh, der ihn als König identifiziert. Und was bitte hat ein Elefant im Paris des Jahres 1924 zu suchen? Ja, ein Affe hängt doch tatsächlich am Eiffelturm! Na klar, Olympiasieger Johnny Weissmüller erlangte einige Jahre später Weltruhm als "Tarzan". 1908 gabs in London tatsächlich noch die Disziplin Tauziehen. 20 Jahre später eroberte der US-amerikanische Ruderer Bobby Pearce die Herzen der Zuschauer, als er im Viertelfinale Enten passieren ließ und so seine Führungsposition aufs Spiel setzte.
Auch noch heute prominente Sportler kann man in Travemünde auf der "Sandworld" entdecken, so den Boxer Cassius Clay (Muhammad Ali) oder George Smith Patton, 1912 Fünfkämpfer und während des Zweiten Weltkriegs General der US-Army. Ob nun bekannt oder längst vergessen - den Sandkünstlern ist es meisterhaft gelungen, dem toten Material Leben einzuhauchen, den Skulpturen Gesichter voller Ausdruckskraft zu geben. - "Sandworld 2004" ist ein Vergnügen für die ganze Familie, nicht zuletzt auch durch ein Teilstück, in dem Kinder nach Herzenslust buddeln können, ohne die Kunstwerke in Gefahr zu bringen. Und wer noch mehr Olympia möchte, der kann vom 13. bis 29. August auf einer Großleinwand auf dem Areal die Spiele in Athen verfolgen.
Peter van Lohuizen
Mythos Olympia: Unweit des Ausstellungsgeländes ziehen große Fährschiffe vorbei.
Derjenige, der da für die 75 am nordischen Olympia-Projekt beteiligten Künstler das Motto in griechischen Lettern in den Sand schreiben wollte, muß ein ganz besonderer Künstler gewesen sein. Vor allem aber ein besonders computergläubiger. Sein Rezept: Man nehme einen handelsüblichen PC, gebe die Worte "Mythos Olympia" in Versalien ein, wähle die Schriftart "Symbol" - und fertig ist der "MYTHOS OLYMPIA". Mit dem griechischen Alphabet hat das allerdings nur begrenzt zu tun; vier dieser Buchstaben (Y, T, H und noch einmal Y) sind falsch, die richtige Schreibweise ist MUQOS OLUMPIA. Vielleicht hätte man die Monumental-Inschrift doch einem des Griechischen Mächtigen überlassen sollen. Juliane Meier
Vergessene Disziplin: 1908 konnte man in London noch im Tauziehen gegeneinander antreten.
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