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Ich erinnere mich gut daran: zu meiner Studentenzeit, vor nicht ganz zehn Jahren las ich, damals im Spiegel, etwas über ein neues, avantgardistisches Lebensgefühl. Thematisiert wurde der bewußte Verzicht auf Konsum, durch besonders junge Leute, durch Mittzwanziger, die gerade im Beruf standen und Studenten, die ihre Selbstdefinition nicht über die Markenjeans und Boss-Kravatten vollzogen. Ganz anders sei die Generation der 90er, die demnächst den Mittelstand bilde. Schnörkellos und orientiert am Wesentlichen.
Sie hebe sich schon dadurch ab, daß sie nicht mehr unbedingt nach den durch Werbung und Medien vermittelten Werten strebe. Man hätte nicht viel Geld - brauche es aber auch nicht, um zufrieden zu sein. In der Tat: Der Student der Betriebswirtschaft, der mit der Gold-Card seines Vaters und dem roten Alfa-Spider zur Vorlesung fährt, um sich seine künftige blondierte Lebensabschnittsgefährtin auszusuchen, die er dann auf den akademischen Coctail-Parties seinen Kommilitonen genauso als Accessoire vorstellt wie seine neu erstandene Goldarmbanduhr von Cartier, ist heute ausgestorben. Denn der wohlhabende Mittelstand und die Studenten von Gestern, haben einen anderen Lebensstil. Es stellt sich die Frage, ist dieser Lebensstil selbstbestimmt oder zwangsläufig, frei oder doch ökonomisch determiniert. Mit einem Hauch von "Mode" sprechen die Trendmacher wieder von einer "Neuen Bescheidenheit", der Abstinenz von Luxus und dauerndem Wohlgefühl, weil man mit dem verdienten Geld zielgerichteter, aufgeklärter und mündiger umgehe und heute genau wisse wie man es auszugeben habe. Sie setzen damit auf neuartigen Einkauf, nicht auf Konsumverzicht. Die Persönlichkeit hänge eben doch nicht an Prada-Handtasche und Budapester-Schuh, hört man die wissenden Konsumgelehrten sagen. Sondern das Verhalten des Kunden ist differenziert und Komplex. Der Konsument sei heute Preisbewußter.
Wirklich - Konsumäffchen will sich heute keiner mehr schelten lassen. Aber daß war auch schon vor der Jahrtausendwende so. Der Wandel im Verhalten des Konsumenten ist aus der Einsicht in die Lage der eigenen Realität gewonnen. Nicht zuletzt die Euroeinführung hat Gastronomie und höherwertige Verbrauchsgüter verteuert. Und der Euro wird nun zweimal umgedreht, bevor man ihn ausgibt.
Die Arbeitslosigkeit hat den Mittelstand längst eingeholt, und wenn die Mutti früher alles im Konsumzentrum auf einen Streich erledigte, von dem Einkauf für den Mittagstisch bis zu der neuen Hose für den Kleinen, sich auch mal eine Bluse von Versace leistete, frei nach dem Motto "ach die paar Mark", geht sie jetzt eher den unbequemen, aber billigeren Weg. Sie macht Schnäppchen-Jagd, damit am Ende des Monats das Arbeitslosengeld des Vaters, der vor einigen Wochen noch gut bezahlter Investment-Banker war, auch reicht, für die Kleinfamilie. Und wenn Papa nicht bald wieder einen Job findet, muß die Bank die Raten für das Eigenheim stunden - ?! Eine "Neue Bescheidenheit" im Sinne bewußten Konsumverzicht ist dies bei der Mehrzahl der Bürger sicher nicht.
Man möchte in diesem Zusammenhang an das alte Preußen erinnern. Hier hat sich in ganzer Bescheidenheit auf Sand und Kartoffel, mit Disziplin und Organisation und in einer Askese, die nicht Verzicht auf Wohlstand, sondern Einsicht in Notwendigkeit war, ein Staatswesen und ein Geist entwickelt, der es in Deutschland und Europa zur Vorherrschaft brachte. Es entwickelte sich ein Lebensgefühl, daß in Bescheidenheit und Verzicht, in Sparsamkeit und aufgeklärter Schnörkellosigkeit die Möglichkeit zu einem bewußteren Dasein erblickte. Jenseits des verschwenderischen Versailles, der duftenden Höfe Venedigs und den Ansprüchen des britischen Empire war und ist das Preußen Friedrich des Großen heute Avantgarde. Die viel betrachtete "Neue Bescheidenheit" ist, wenn sie nicht nur vernünftiges Konsumieren darstellt und wirklich umfassendere Geisteshaltung beschreibt, bei weiten kein neuer Lebensstil, sondern alte Tugend. Sparsamkeit ist Tugend, Armut erfordert Sparsamkei |
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