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Und das zum 40. Todestag des Dichters: Das Haus in der Ahornallee 26 in Berlin-Friedrichshagen, in dem Johannes Bobrowski 16 Jahre gelebt hatte, steht möglicherweise vor dem Verkauf und damit das kleine Privatmuseum, das sich hier befindet, vor dem Aus. Es geht um ein einziges Zimmer, um das Arbeitszimmer des Schriftstellers, das man nach Voranmeldung besuchen kann. In der Wohnung leben noch immer Johanna Bobrowski, die 83jährige Witwe des Dichters, und sein jüngster Sohn Adam. Johannes Bobrowski, geboren 1917 in Tilsit, hatte hier seit der Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft bis zu seinem frühen, durch einen Blinddarmdurchbruch verursachten Tod 1965 gewohnt.
Es ist eine attraktive Wohnstraße mit zweistöckigen Reihenhäusern, die Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurden. Man ist außerhalb der Stadt, hat Wald und Wasser in der Nähe, und ist trotzdem nicht aus der Welt. Aus der Sicht des Eigentümers, der Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo, ist die Sache klar und auch verständlich: So wie das Haus bisher bewirtschaftet wurde, ist es nicht rentabel. Die DeGeWo ist ein Wirtschaftsunternehmen, kein karitativer oder Kulturverein. Der geforderte Preis, 100.000 Euro, ist keineswegs überzogen. Doch die Familie hat das Geld nicht, weder die Witwe noch der arbeitslose Sohn, der als Geschäftsführer der Bobrowski-Gesellschaft tätig ist.
Johannes Bobrowski ist als literarische Größe zwar allgemein anerkannt, doch ein Verkaufsschlager waren seine Bücher nie. Die DeGeWo gibt sich kulant. Bisher hat sie den Verkauf ausgesetzt, weil der Sohn erklärt hatte, die Gesellschaft würde das Haus eventuell kaufen. Dieser Ankündigung ist bisher kein Angebot gefolgt. Der im Jahr 2000 gegründete Verein hat 135 Mitglieder. Jedes von ihnen müßte im Durchschnitt 740 Euro aufbringen. Das erscheint kaum realistisch. Die andere, von der DeGeWo vorgeschlagene Option: der künftige Käufer möge auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs verzichten und damit das Zimmer sichern, setzt einen Idealismus voraus, der nicht von dieser Welt ist.
Aber es ist eben mehr als ein Zimmer, es ist ein Kosmos, der eine bestimmte Atmosphäre, ja eine Aura verströmt. Der Essayist Gerhard Wolf hat 1971 ein ganzes Buch darüber verfaßt. "Wir leben hier, jeden Tag, wir haben unsere Kinder, und unsere Arbeiten, jeden Tag, und das ist alles ernst, wir müssen uns ausruhen, weil wir ermüdet sind, aber wie sind wir denn hier - ein Vogel ruft, und wir meinen aufzuwachen. Du hast die litauischen Lieder vor, plötzlich, mitten am Tag, das Essen auf dem Feuer, nachher kommen die Kinder aus der Schule, und ich schreib hier etwas auf ... Oder besinge noch immer, wie Grass sagt, das Flüßchen Szeszuppe. Sag doch, wie leben wir hier? Nimmt man das Vaterland an den Schuhen mit?"
Sein Heimweh nach Ostdeutschland ist Bobrowski nie losgeworden. Die Gedichte, die in diesem Zimmer entstanden sind, beschwören außer der Szeszuppe auch die anderen Flüsse im Osten: Düna, Memel, Jura und Mitwa. Günter Grass war hier oft zu Besuch. Das Zimmer war ein Ort der Gastlichkeit und deutsch-deutscher Dichtertreffen. Auch der Verleger Klaus Wagenbach (heute Ehrenvorsitzender der Bobrowski-Gesellschaft) kam vorbei. Das Zimmer also: Zwei hohe, schmale Fenster, der Raum im Grünton gehalten, Gardinen, Dielen, grün grundiert auch der Teppich. Außerdem ein Kachelofen, ein runder Tisch, zwei alte Sessel, ein verglaster Bücherschrank, Bücher von Herder und Klopstock, Erstausgaben darunter. Hinter den Glasscheiben Fotos, Ansichtskarten, Bilder von Ostdeutschland und Königsberg. Das Clavichord, an dem er spielte, der Sekretär, an dem er schrieb. Die Familie hat alles im Originalzustand belassen.
Braucht man das noch im neuen Deutschland? Eine Dichterklause, unverkennbar ostpreußisch geprägt, als Museum? Ist das 100.000 Euro wert? Das unnütze Rosa-Luxemburg-Denkmal, das in Berlin-Mitte auf Drängen der PDS unbedingt gebaut werden soll, wird voraussichtlich 260.000 Euro kosten. |
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