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Sprachschützer und Arbeitervertreter in Frankreich jubeln: Ein Gericht hat Anfang März die Verurteilung eines Tochterunternehmens von "General Electric" bestätigt. Das Vergehen: Die Medizintechnik-Firma "GE Medical Systems" ("Gems") hat im Umgang mit ihren Beschäftigten zuviel Englisch verwendet. Jetzt muß das Unternehmen an den Betriebsrat eine Strafe in Höhe von 580000 Euro zahlen.
Gegen das Tourbon-Gesetz aus dem Jahre 1994, das nach dem damaligen Kulturminister Jacques Tourbon benannt ist und den Unternehmen in Frankreich die Benutzung der französischen Sprache vorschreibt, ist selbst "General Electric", der zweitgrößte Konzern der Welt, machtlos. Seine Tochter "Gems" hatte Dokumente und Rechnerprogramme angewendet, die ausschließlich auf englisch abgefaßt waren. "Sogar die französische Unternehmensführung richtete ihre Botschaften auf englisch an uns. Mitarbeiter, die kein oder kaum Englisch sprachen, wurden regelrecht isoliert", teilte eine Gewerkschaftssprecherin mit.
So löblich die Wertschätzung der Muttersprache in Frankreich ist: Die weltweite Entwicklung geht in eine andere Richtung. Die wirtschaftliche und politische Überlegenheit der Vereinigten Staaten von Amerika und die länderübergreifende Ausdehnung des Arbeitsmarkts für Spitzenkräfte führen dazu, daß Englisch in immer mehr Unternehmen als Konzerns prache einzieht. Dabei bildet sich eine Zweiklassengesellschaft heraus aus Führungspersonal auf der einen Seite, das im Sprechen und Denken amerikanisiert ist, und Untergebenen, die noch in ihrer Kultur verwurzelt sind, auf der anderen Seite.
Und so werfen deutsche Lenker von Großunternehmen mit unverständlichen Anglizismen um sich. Deutsche Unternehmen anglisieren ihren Firmennamen ("BMW Group", "Deutsche Post World Net", "Deutsche Bahn Mobility Networks Logistics") und ihre Abteilungen (zum Beispiel "Siemens": "Power", "Medical", "Lighting" und so weiter). Besprechungen finden oft nicht mehr auf deutsch statt, selbst wenn keine Fremdsprachigen zugegen sind. Nach und nach dringt Englisch von den oberen Führungsetagen auch in die unteren Unternehmensebenen vor, wo es der Verständigung eher schadet als nützt.
Führungskräfte versuchen, die kulturellen Wurzeln ihrer Untergebenen zu kappen und verächtlich zu machen. So erklärte im Jahr 2000 der damalige Vorstandsvorsitzende der Gütersloher "Bertelsmann AG", Thomas Middelhoff, in der Tageszeitung "Die Welt": "Unternehmer haben die Pflicht, regionale Besitzstände ... ebenso kritisch in Frage zu stellen wie andere gewachsene Strukturen. Wie verbreitet das regionalzentrische Weltbild in Deutschland heute noch ist, zeigt ein Beispiel: Als Bertelsmann Englisch zur offiziellen Unternehmenssprache erklärt hat, beschwerten sich Bürger, ein deutsches Unternehmen dürfe sich nicht von der deutschen Sprache verabschieden - ein Kuriosum in einer globalisierten Welt, aber ein ernstzunehmendes. Globalisierung fängt mit der Bereitschaft an, auch gedanklich über die Grenzen zu schauen. Eine Folge müßte sein, Englisch und eine weitere Fremdsprache früher und intensiver als bisher an den Schulen zu vermitteln."
Middelhoff, der sich gerne als Amerikaner mit nur zufällig deutschem Paß bezeichnet, spricht also tatsächlich von einer Art Umerziehungsplan, um gewachsene Strukturen wie Kultur und Muttersprache in Frage stellen zu können. Vor diesem Hintergrund bekommt die breite Einführung von Frühenglisch an den Grundschulen eine unheimliche Bedeutung.
Englisch schafft jedoch keine Arbeitsplätze im deutschen Sprachraum. Zahlreiche große deutsche Unternehmen, die auf Englisch als Unternehmenssprache setzen, bauen im Stammland Stellen ab und im Ausland auf, zum Beispiel: "Daimler-Chrysler", "Metro" oder "Aventis". Auch die Amerikanisierung der Berufsbezeichnungen ("Sales Manager", "Freelancer", "Researcher" und so weiter) und der Angebote der Bundesagentur für Arbeit ("Job-Floater", "Jobcenter", "Assessment" und "Clearingstellen") haben die Arbeitslosigkeit nicht verringert.
"Muttersprachler werden bei der Vergabe von Leitungsposten in den meisten Fällen bevorzugt", meint Jürgen Hausschildt, Fachmann für Wirtschaftssprachen und ehemaliger Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Kiel. Das gelte selbst dann, wenn ein anderer Mitarbeiter eine bessere fachliche Qualifikation aufweise, seine Sprachkenntnisse aber geringer seien: "Die fachlichen Kenntnisse werden dann oft hinter den Sprachkenntnissen vermutet." Das heißt also: Mit dem Vormarsch des Englischen verschlechtern sich die Karrierechancen von Deutschen, selbst wenn diese Englisch gründlich gelernt haben. Und: Flucht aus der Sprache bedeutet auch Flucht aus dem Land. Ohne Bindung zur Landessprache haben die Führungskräfte auch keine Bindung an das Land. Ihre untergebenen Mitarbeiter sehen sie als beliebig verschiebbare Verfügungsmasse.
Die Verordnung eines fremden und beschränkten Wortschatzes bedeutet Verluste in der Vorstellungskraft, in der Denkschärfe und bei der reibungslosen Verständigung. Letztlich nützt sie nur denen, die Englisch zur Muttersprache haben. Amerika läßt sich im eigenen Land übrigens nicht den Vorrang der englischen Sprache nehmen. Ein Grundsatzurteil des Obersten US-Bundesgerichts von 1994 bestätigte einer kalifornischen Firma das Recht, von ihren zumeist spanischsprachigen Angestellten den alleinigen Gebrauch des Englischen am Arbeitsplatz zu verlangen.
In Deutschland gibt es allerdings nur wenige rühmliche Ausnahmen. Eine davon ist der Vorstandsvorsitzende der "Porsche AG", Wendelin Wiedeking. Im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" erklärte er: "Natürlich können sich Manager in englisch verständigen. Aber das ist nicht auf allen Arbeitsebenen der Fall. Ganz schwierig wird es, wenn es um Details geht, um die Einzelteile eine Motors beispielsweise. Doch gerade bei diesen Themen müssen sich die Mitarbeiter perfekt verständigen. Und wenn Englisch oder Französisch die Konzernsprache ist, benachteiligt man automatisch alle, für die dies nicht die Muttersprache ist." An anderer Stelle sagte er: "Was heißt das, wenn sie (die Mitarbeiter) plötzlich in einer Fremdsprache kommunizieren müssen? Sie rauben vielen die Möglichkeit, sich so zu artikulieren, wie sie es gewohnt sind. Da bleibt Leben auf der Strecke. Da verlieren sie Kraft." Wir brauchen im deutschen Sprachraum einen Stimmungswechsel, damit eine solch vorbildliche Einstellung unter den Lenkern großer Unternehmen wieder selbstverständlich wird. Die "Porsche AG" baut übrigens keine Arbeitsplätze ab.
Auf die Hörner genommen: Der Vorstandsvorsitzende der Post AG, Klaus Zumwinkel, wurde 2002 vom Verein Deutsche Sprache zum Sprachpanscher des Jahres gewählt. |
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