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Gerechte Lösung

 
     
 
Weißt du, woran ich mich nicht mehr erinnere?" fragte ich Heidi. Meine Frau zuckte mit den Schultern. "Da dürfte einiges zusammenkommen, Klaus."

Wir saßen in unserem frisch tapezierten Wohnzimmer und sahen fern. Heidi hatte die Fernbedienung in der Hand, wie an jedem zweiten Tag. Obwohl es auf einem anderen Programm eine Fußballübertragung gab, schaute ich mir eine Reportage über alleinerziehende Mütter an.

"Ich meine die Zeit, als wir uns kennenlernten
, als wir unsere Liebe entdeckten. Womit haben wir damals die Abende verbracht? Eine Glotze hatten wir noch nicht."

Heidi langte über den Tisch und nahm sich einen Keks aus der Schale. An ihrer Falte auf der Nasenwurzel erkannte ich, daß sie sehr konzentriert die Sendung verfolgte.

Ich nahm einen neuen Anlauf. "Es war eine schöne Zeit, nicht wahr, Heidilein?"

Meine Frau deutete auf die Mattscheibe. "Klaus, wenn du andauernd dazwischensprichst, verstehe ich überhaupt nichts."

Wie unsensibel Frauen sein konnten. Ich verließ meinen Platz und begab mich ins Kinderzimmer. "Hallo, ihr beiden Frechdachse!" begrüßte ich mein Fleisch und Blut. "Was spielt ihr denn gerade?"

Meine Kinder sahen mich unerfreut an. Jedes von ihnen hatte einen Gameboy in der Hand, und ihre kleinen Finger flogen wieselflink auf den Knöpfen umher.

"Verflixt!" schimpfte Anna, die Große. "Ich bin tot. Bloß, weil du hereingekommen bist, Papa!" Eine garstige Melodie erklang, und auch Karina, die Kleine, legte schmollend ihren Gameboy aus der Hand. "Tut mir leid, das wollte ich nicht", murmelte ich schuldbewußt. "Wie wärs? Laßt ihr mich auch mal mitspielen?"

"Und was wollen wir spielen?" quäkte Karina. "Mau-mau oder so nen Kinderkram? Das ist doch total uncool."

"Na ja, es gibt noch andere hübsche Spiele. Halma oder Dame zum Beispiel."

Anna und Karina wechselten genervte Blicke. "Paps, wir würden gern weiterspielen."

"Schon gut. Ich gehe. War ja bloß n Vorschlag." Bedrückt tappte ich aus dem Kinderzimmer. Eine zeitlang blieb ich im Korridor stehen, unschlüssig, wohin ich mich wenden sollte. Dann ging ich in die Küche.

Ich lugte in den Kühlschrank und schnappte mir ein Wiener Würstchen. Kauend spähte ich aus dem Fenster auf die abendliche Straße. Irgendwie kam ich mir überflüssig vor. Heidi ließ sich vor dem Fernseher berieseln, die Kinder starrten auf die winzigen Bildschirme ihrer Gameboys. Und ich mampfte vor Kummer Wiener Würstchen.

Ich wischte mir die Finger am Geschirrtuch ab und atmete tief durch. Nur noch wenige Stunden, dann hatte ich die Tortur hinter mir. Dann würde meine große Zeit kommen. Voller Vorfreude schloß ich die Augen, wobei ich mir vorstellte, wie ich am nächsten Tag mopsfidel in meinem Lieblingssessel thronen würde. Dann nämlich mußte Heidi mir die Fernbedienung überlassen.

Wer auf diese Idee gekommen war, tja, daran erinnere ich mich auch nicht meh
 
     
     
 
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