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Wir trugen es vom Boden, wo es uns schon lange im Weg gestanden hatte, auf den Hof hinunter. Und Lotte, meine Frau, meinte: "Es hängen zwar liebe Erinnerungen daran, aber was soll s! Hau s kaputt! Das gibt noch eine Menge Brennholz für den Winter." Dann wandte sie sich ab. Es sah aus, als hätte sie Tränen in den Augen.
Da stand ich nun ... Mit Hammer, Zange, Beil und Säge. Und mit einiger Wehmut im Herzen. Wie war das doch damals gewesen an jenem Abend? Wir wollten unseren gewohnten Spaziergang machen, als Lotte sagte: "Meine Eltern ..." - "Was ist mit ihnen?" - "Ich habe ihnen von dir erzählt, und sie möchten dich gern kennenlernen." - "Na, das läßt sich sicher mal einrichten." - "Nein, heute abend. Jetzt. Sie haben schon ihr Sonntagszeug angezogen und warten auf uns." - "Ach du grüne Neune! Lotte, muß das sein?!"
Aber dann war es nur halb so schlimm ... Meine zukünftigen Schwiegereltern waren prachtvolle Leute. Lotte und ich mußten uns gleich auf jenes schöne rote Sofa setzen, auf dem sonst eigentlich immer nur sie saßen. Das war wirklich eine große Ehre für uns. Später ging dann dieses Sofa ganz in unseren Besitz über. Wir hingen sehr an ihm, und lange Zeit war es unser prachtvollstes Möbelstück. Aber mit den Jahren wurde es dann doch altersschwach und unansehnlich; der rote Samt verblich, und die Sprungfedern drangen durch die Polsterung. Da kauften wir schließlich schweren Herzens eine moderne Liege und brachten unser altes, geliebtes Sofa auf den Boden ...
Ja. - Ich krempelte also meine Ärmel hoch und machte mich an die Arbeit. Zuerst hieb ich unserem Sofa die Beine ab. Dann trennte ich es von seinen Seitenlehnen. Ich kam mir abscheulich grausam vor. Mit viel Mühe zog ich ein paar Dutzend Polsternägel aus dem Holzrahmen, bis die Sprungfedern sprangen und das alte Roßhaar mir entgegenquoll. Und dann machte ich eine erstaunliche Entdeckung!
Jedem, der schon einmal ein altes Sofa geschlachtet hat, wird es ähnlich ergangen sein. In der zu Lebzeiten eines Sofas fast immer unzugänglichen schmalen Falte zwischen Sitzfläche und Rückenlehne hatten sich im Laufe der Jahrzehnte die merkwürdigsten Dinge angesammelt. Sie mußten bei diesen oder jenen Gelegenheiten hineingerutscht sein und waren in Vergessenheit geraten.
Ich fand Hemden- und Hosenknöpfe, Sicherheits- und Stecknadeln, einen alten Geldschein und eine 50-Gramm-Fleischmarke aus der Schwarzmarktzeit sowie Münzen aus den sogenannten goldenen 20er Jahren. Liebes, altes Sofa - was magst du alles gehört und gesehen haben! Ich fand eine verrostete Hutnadel, einen Pfeifenreiniger, eine Millionenbanknote aus der Inflationszeit, eine beschädigte 1/2- Schilling-Briefmarke des Herzogtums Schleswig und einen kleinen Zettel, auf dem in verblaßter Tintenschrift zu lesen stand: "Meine heißgeliebte Lotte! Unvergeßlich sind mir die Stunden unbeschreiblichen Glücks am gestrigen Abend in Deinen Armen! Ich liebe Dich heißer denn je! Wenn nur Deine Eltern nichts merken. Ich warte heute abend wieder auf Dich in der ..."
Mir wurde schwarz vor den Augen. Das hatte ich nicht geschrieben, auf gar keinen Fall! Lotte ... Meine Lotte! Und dabei hatte ich immer geglaubt ...
Ich ließ das halb ausgeschlachtete Sofa liegen, wo es lag, lief zu meiner Frau und reichte ihr den Zettel. Sie las ihn und brach in Lachen aus. "Du lachst?!" - "Ja, natürlich, Liebster! Himmel", sagte sie, "muß das lange her sein!" - "Wer war dieser Mann?" fragte ich. "Der Zettel lag in unserem Sofa!" - "Na und? Das Sofa gehörte ja auch einmal meinen Eltern und davor den Eltern meiner Mutter." - "Ja, aber deine Mutter hieß Walburga und nicht Lotte!" Ich las: "... und warte heute abend wieder auf Dich in der Hausthür. Dein Franz." - "Also Franz hieß er, dein Geliebter!" rief ich.
"Nicht mein Geliebter, sondern Omas Geliebter!" lachte meine Frau. "Ihr späterer Mann also. Mein Großvater. Der hieß Franz. So lange ist das her ... Sieh mal, er schrieb doch Hausthür noch mit th ..."
Das stimmte - da hatte sie recht. Was bin ich doch für ein thörichter Throttel! |
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