|
Die Süddeutsche Zeitung brachte unlängst unter der Überschrift "Millionen-Scheck für ein verlassenes Haus - Ankara akzeptiert erstmals die Verantwortung für die Vertreibung auf Zypern vor 30 Jahren" eine auch für die ostdeutschen Vertriebenen bedeutsame Nachricht. Es handelt sich hier um den "Fall Loizidou". Titiana Loizidou mußte 1974, als türkische Truppen Nordzypern besetzten, wie rund 180.000 griechische Zyprer Haus und Hof verlassen. Am 22. Juli 1989 erhob sie Menschenrechtsbeschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof und klagte die Türkei wegen völkerrechtswidriger Eigentumsverletzung an. 1996 gab der Gerichtshof in Straßburg der Klägerin recht und sprach ihr eine Entschädigung von 700.000 Dollar zu, doch die Türkei verweigerte die Zahlung. Der Grund: Der Staat befürchtet zahlreiche weitere Klagen. Nun endlich kommt die Meldung, daß Ankara der Klägerin einen Scheck von 1,2 Millionen Dollar übersandt hat.
Der Völkerrechtler Prof. Blumenwitz erkannte schon früh die Parallelität dieses Falls zu den Rechten der deutschen Vertriebenen. "Als Überführung im großen Rahmen erfüllt sie (die Vertreibung) den Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit. ... Ein Staat, der durch zwangsweise Massenüberführung zwingende Normen des allgemeinen Völkerrechts verletzt, ist dazu verpflichtet, vollständige Wiedergutmachung zu leisten, und - wenn die rechtswidrige Haltung andauert, dieses Verhalten zu beenden. Hieraus resultiert das Recht betroffener Personen, in ihr Heimatland, zu ihrer Wohnstätte und zu ihrem Vermögen zurückzukehren."
Doch warum hat der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg dieser griechischen Klägerin eigentlich recht gegeben, während deutsche Vertriebene mit diversen Klageversuchen bisher dort niemals Fuß fassen konnten? Es sind weniger die juristischen Unterschiede in den Klagesätzen. Es ist eher ein anderes Faktum: Titiana Loizidou hatte einen Fürsprecher, der sich mit Nachdruck für sie eingesetzt hat. Es ist der Staat Griechenland, der die Menschen seiner Nation nicht im Stich läßt. Die Bundesrepublik Deutschland hingegen, die gern eine führende Rolle in Europa spielen möchte, verweigert bisher diesen Schutz. Sie geht, wenn sie deutsche Rechte verteidigen soll - zum Beispiel gegen Vertreiberstaa-ten -, nur auf "Zehenspitzen" vor. Sie fürchtet sich, für Rechte der eigenen Staatsbürger einzutreten.
Immer wieder steht beispielsweise die Frage der Sudetendeutschen, die die Tschechoslowakei vor einem halben Jahrhundert durch die Vertreibung für immer lösen wollte, in irgendeiner Form wieder auf. Es ist in erster Linie eine Frage an die Tschechen, ob sie Recht gewähren wollen. Es ist aber ebenso eine Frage an die Sudetendeutschen, ob sie Frieden gewähren wollen. Mitbetroffen sind immer die politischen Machtträger, die Parteien in Deutschland und Österreich. Außer belanglosen Gesten hat sich aber bisher nicht viel ergeben.
Zwar kann man den "Status quo ante" nicht zurückerlangen, aber das Unrecht darf auch nicht legalisiert werden. Wenn man sich aber jeder Verhandlung gegenüber den Vertriebenen von vornherein verschließt, dann gibt es nur einen Weg, nämlich das Recht auf Heimat vor nationalen, europäischen und internationalen Gerichten einzuklagen.
Die von der islamischen Partei Tayyip Erdogans geführte Türkei hat nun erstmals Europa ein Beispiel gegeben. Regierung und Opposition Griechenlands ziehen, wenn eine Zypern-Lösung erreichbar ist, ihr Veto gegen einen Eintritt der Türkei in die EU zurück. Die deutschen Vertriebenen würden Ankara zumindest auch als wichtige Brücke zwischen Europa und der islamischen Welt willkommen heißen, wenn die Türkei zu einer Macht des Rechts werden würde, zu der Europa leider immer noch nicht geworden ist. |
|