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Die ersten "archäologischen" Ausgrabungen auf der Suche nach deutschem Kopfsteinpflaster hatte die Insterburger Verwaltung genehmigt. Wohl wissend um die Schwierigkeit und den möglichen politischen Aspekt der bevorstehenden Arbeiten, schickte die Leitung des Ortes eine Delegation, bestehend aus vier Leuten, zu einer vierzehntägigen Dienstreise nach Oldenburg in Niedersachsen. Nachdem eine Zeichnung mit den Wegarbeiten angefertigt worden war, und nachdem die Arbeiter in Deutschland die Technik des Verlegens erlernt hatten, machten sich die frisch Motivierten an die Arbeit zur "Wiedererrichtung der historischen Vergangenheit" auf den Straßen der Stadt. Der Zustand der Pflastersteine erfreute sie und die Verwaltung gleichermaßen: 90 Prozent der unter dem Asphalt versteckten Pflastersteine waren in gutem Zustand. Nicht umsonst hatte man mit dem Asphalt auf deutschen Wegen gepfuscht, hatte er doch das Kopfsteinpflaster für so lange Zeit gut konserviert. Die materiellen Kosten erwiesen sich sogar niedriger als geplant, da als Rohstoff nur der am Ort "hergestellte" Rohstoff Sand benötigt wurde. Aufgrund des in Deutschland durchgeführten Praktikums konnten die Meister das freigelegte Kopfsteinpflaster fachgerecht wiederherstellen.
Der stellvertretende Gebietsleiter des Kreises Insterburg, S. Koslow, meinte, daß die Deutschen schon immer besser waren im Erfinden, so daß die Perspektiven des mitgelieferten "Know-How" gut seien, daß es jedoch noch zu früh sei, über Ergebnisse zu reden, da man noch über zu wenig "archäologische " Erfahrungen verfüge. Auch im Süden des Gebiets stehen die Straßenarbeiten unter dem Motto "Wir geben der Stadt ihre historischen Straßen zurück". Aber "Bagrationowsk" in Preußisch Eylau zu verwandeln gelingt im Moment noch nicht, solange die "ehrbaren Städter" über Pflastersteinhaufen staken müssen, die über Nacht freigelegt wurden. Die Stadtväter haben den Pflasterarbeiten Wachen zur Einhaltung der Ordnung beigeordnet, um die Bürger von der Zweckmäßigkeit der Maßnahmen zu überzeugen. Der Gebietsadministrator des Kreises Pr. Eylau, W. Reutzkij meinte, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt die "Wege"-Sache in seiner Stadt "zumindest besser vorangingen als in Königsberg". Es bleibt zu hoffen, daß dieser Optimismus des Stadtobersten reale Früchte tragen wird.
Im Norden des Gebiets, in Heinrichswalde, denkt man nicht über eine Rückgabe des historischen Gesichts der Stadt nach, aber die Straßenarbeiten werden nach derselben Methode durchgeführt, wie bei ihren Kollegen in Preußisch Eylau und Insterburg. Der stellvertretende Bürgermeister W. Bankow beschreibt die Beschaffenheit der Straßen in seinem Amtsgebiet als "scheußlich", und wegen der absoluten Knappheit des örtlichen Budgets wird der Asphalt mit Brecheisen und Spaten abgetragen, dann wird das Kopfsteinpflaster aufgedeckt und mit kleinen Besen ausgefegt und das wars.
Es scheint, daß in nächster Zukunft auch andere Städte sich dieser "Retro-Parade" anschließen werden. Wenn dieser Prozeß nicht aufzuhalten ist, dann kann man sich genauso gut mit allen Kräften an die Restaurierung der Vorkriegsstraßen begeben, wie das bereits die Verwaltung von Insterburg getan hat. Ihre Erfahrung dient anderen als Wissenschaft. Nur die Autofahrer werden sich vielleicht ein paar deutsche Flüche zulegen müssen, denn trotz alledem ist es für sie nicht das Gelbe vom Ei.
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