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Hannchen und die Glumsköppe

 
     
 
Was die Männer betrifft, da kann Hannchen keiner mehr was vormachen. Das sind alles große Glumsköppe. Nee, nee, da muß jetzt keiner auf den Fingern pfeifen, Hannchen hat ihre Erfahrungen rechtzeitig gemacht ... So drei, vier Jahre war sie wohl alt und gerade so aufgewachsen, wie der liebe Gott sich das mit ihr vorgestellt hatte. Kein Arg im Herzen, aber zwei große Augen im Kopf. Zwei Augen, die gucken und sich freuen konnten über einen solch blitzblanken Sommertag
, über die grüne Wiese hinterm Haus, über die gelben Butterblumen und den großen Waschzuber mittendrin. Da konnte sie mal wieder so richtig planschen. "Mach dich man nicht wieder so naß", hatte Mutter ihr noch nachgerufen, als sie aus der Ve-randatür sauste. Nein, das wollte sie ja nicht, denn sie war ein gutes, braves Kind. Also - runter mit den Pantoffeln, raus aus den Plünnen und rein in den Zuber.

Hei - was war das fein! Da hatte sie nun ihren eigenen See mitten zwischen den Butterblumen. Die Sonne lachte und zwinkerte ihr auch noch aus dem Wasserspiegel zu. Aber immer, wenn Hannchen nach ihr greifen wollte, dann zerplatzte sie in lauter kleine Stücke. Hannchen jauchzte wie verrückt. Und je mehr sie rumpladderte, um so mehr Sonnenstückchen hatte sie in ihrem Zuber.

Aber - wie heißt es doch so schön: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn ..." Na ja, ihr wißt schon ... Und dieser böse Nachbar - das waren so drei-, vierhundert Lorbasse. Ein ganzer Schulhof voll!! Ja, ihr habt richtig gelesen: drei-, vierhundert Lorbasse. Ein ganzer Schulhof voll!! Immer, wenn die Pausenglocke bimmelte, dann kamen sie wie so ne Explosion aus der großen Schultür gepoltert und krakeelten rum, wie verrückt. Hannchen kannte das schon, denn der Schulhof lag gleich neben ihrer schönen Wiese. Aber heute kam ihr das fast noch lauter vor als sonst. Und als sie den Kopf drehte, da sah sie bloß noch Lorbaßköppe. Über- und untereinander hingen sie an dem hohen Drahtzaun bis oben zum Stacheldraht. Johlende, grinsende Lorbasse. Sogar auf den Kruschkenbaum auf dem Schulhof waren einige geklettert und gackerten und winkten ihr zu.

Hannchen in ihrer heiligen Einfalt, die lachte und winkte ja zurück. Aber da ging das erst richtig los! Der ganze Schulhof war wie leergefegt bis auf das Stück vorm Zaun. Also, wenn das ein Schiff gewesen wäre, das wäre glatt abgesoffen, so kopflastig, wie das wäre. Man - irgendwo hatte auch Hannchens Dummerhaftigkeit ihre Grenzen. Auf einmal schoß ihr das in den Kopf: Die lachen über mich ...! Die krakeelen über mich, weil ich hier splitternackt in meinem Zuber hocke!!

Ich weiß nicht, was bei ihr zuerst absackte - ihre Mundwinkel oder ihr Herz. Im nächsten Moment plärrte das mit ihr los: "Opa ...!" brüllte sie. "Opaaa - komm!" Aber Opa kam nicht. Er hörte in letzter Zeit ein bißchen schwer. Bloß weg hier, dachte sie und jumpte aus ihrem Zuber. Na, das hättet ihr hören sollen ... - Nun ging das los, wie so ein Wolkenbruch. Das Pfeifen und Johlen gellt Hannchen heute noch in den Ohren. Da nahm sie aber die Beine in die Hand und sauste los. Quer über die Wiese und rein ins Haus. Opa konnte sie gerade noch in der Tür auffangen.

"Na, na - was ist denn los? Du kannst mich doch nicht umstoßen, meine Süße", wunderte er sich und nahm sie fest in den Arm. Hannchen klammerte sich an seinen Hals und konnte vor lauter Zittern nur noch stammeln: "Opa ... - ich bin nackt!!" - "Ja - das sehe ich, mein Hannchen." Er drückte ihren Kopf fest an seinen Hals und streichelte ihr übers Haar. "Da ist doch nichts dabei, wenn du nackt bist. Wir sind alle nackt, wenn wir nichts anhaben. So hat der liebe Gott uns alle gemacht, und ich finde, das hat er ganz gut hingekriegt." So allmählich beruhigte sich Hannchen denn auch. Aber tief in ihrem Herzen, da blieb eine kleine Eule sitzen. Daß da nichts dabei war, wenn man nackt rumlief, das nahm sie Opa nicht so recht ab.

Das alles ist nun schon lange her, und Hannchen pladdert auch heute noch gern im Wasser rum. Aber - den Bikini läßt sie doch lieber an. Könnte ja sein, daß da wieder so n paar Glumsköppe auf dem Zaun oder im Kruschkenbaum hängen ...

 

Karina Stängle: Sommer auf der Kurischen Nehrung (Aquarel
 
     
     
 
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