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Heinrich Jordis von Lohausen

 
     
 
"Es ist ein Jammer, ich gebe es zu, aber der Zeitgeist geht mit der großen Zahl und, wie es scheint, unwiderruflich!"

"Kann in einem Massenzeitalter auch anders nicht sein", hielt der ander dagegen. "Wertet es an der Urne etwa die Stimmen? Es zählt sie bloß. Ob das die eines Chirurgen ist, dem Tausende von Menschen ihr Leben schulden, oder die eine notorischen Trinkers und Nichtstuers, ist gleich, ob die einer tapferen Witwe, die allei sieben Kinder hochgebracht hat, oder die eines kleinen, eben erst mündig gewordene Dirnleins – egal: es zählt nicht der Mensch, es zählt die Stimme. Der Feigling un Drückeberger hat von der Wahlurne dasselbe Recht wie der Flieger mit dem Ritterkreuz ode der Grenadier mit der Nahkampfspange. Der Stimmzettel des Kretins wiegt nicht weniger als der eines Weisen. Wenn Goethe zur Wahl ginge, er hätte mehr nicht zu sagen als de erstbeste, der ihn plagiiert."

"Nicht nur der unbekannte Wähler aber bestimmt weithin das Gesicht unserer Zeit sondern viel mehr noch, viel nachhaltig
er", kam es zurück, "der unbekannt Käufer. Jede mehr ausgegebene Milliarde Dollar oder Franken oder was immer für Geld wir zum Schicksal von Wäldern, die erbarmungslos geschlagen, von Tierherden, die gnadenlo abgeschlachtet, oder von Resten alter Kultur, die schamlos zu Tode besichtigt werden Jeder, der gedankenlos eines dieser fingerdicken Boulevardblätter kauft oder eines diese tellergroßen Fleischstücke verzehrt, ist mitschuldig. Die Millionen blindwütige Käufer sind – statt der Kaiser und Könige von einst – die Majestäten vo heute. Wehe, wenn sie fremde Majestäten sind. Als Kinder haben wir die Tage de Inflation, der jähen Geldentwertung, doch noch erlebt: ein Laib Brot heute drei Millione Mark, morgen zehn!"

" . . . ,Ausverkauf‘ hieß das", nahm der linke der beiden seine Gedankengang wieder auf, "Ausverkauf wirtschaftlich und geistig. Ja – auc geistig! Denn was meinst du, wo die Patente, die Erfindungen, die Manuskripte un Kunstwerke hingehen, wenn nicht dorthin, wo die großen Käufermassen stehen! Und nich nur sie, nicht nur die Werke und die Gedanken der Menschen – die Menschen selbst, die vielerlei Fachkräfte, die großen Kenner und die großen Könner, gleich, ob si Techniker, Künstler oder Männer der Wissenschaft sind! Glaubt ihr, ein kleiner Staa kann sie halten? Nein, auch hier gilt: , Wer hat, dem wird noch gegeben werden, und we nichts hat, dem wird das wenige noch genommen!‘"

"Bei solcher Vergottung von Masse und Zahl", gab jetzt der rechts zu bedenken, "kommt da nicht über Nacht der Augenblick, da dies alles zusammenbricht unausbleiblich zusammenbricht, möchte ich annehmen, und dann überall in der Welt? Die Apokalypse jedenfalls sieht es so. Einen Zeitpunkt allerdings gibt sie uns nicht an. Kan sie auch nicht, das Jenseits lebt ohne Kalender. Qualität und Quantität aber verkehre ihre Gewichte nicht, ohne die Erde zuletzt in ihren Grundfesten erbeben zu lassen. Daz ist der Gegensatz zwischen bloßer Menge und echtem Wert viel zu groß. Was geschieht geschieht dann wohl ziemlich plötzlich. Wir brauchen es nur zu weit zu treiben, un irgend etwas an unserem Planeten kippt, sein Gefüge, seine Achse, seine Schwingung in Kosmos. Er ist unser Schicksal, wir sind ein wenig aber auch das seine."Heinric Jordis von Lohausen

"Reiten für Russland – Gespräche im Sattel" (Leopold Stocker Verlag


 
     
     
 
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