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Die Stimme der jungen Frau überschlug sich fast vor Verzweiflung: "Bitte helfen Sie mir, ich weiß nicht mehr weiter. Mein Mann hat mich mit den Kindern sitzen gelassen." Sie schluchzt heftig. Im Hintergrund hört man einen Säugling schreien, größere Kinder streiten sich um ein Spielzeug. "Ich kann nicht mehr. Was soll ich tun? Helfen Sie mir, sonst ..." - Einer von Tausenden von Anrufen, die täglich die Telefonseelsorge erreichen.
Mit der "Ärztlichen Lebensmüdenbetreuung" hat vor 50 Jahren in Berlin alles angefangen. Am 6. Oktober 1956 gründete der Arzt, Pfarrer und Psychotherapeut Klaus Thomas die erste Telefonseelsorge-Stelle. Der traurige Hintergrund: Berlin hatte die höchste Suizidrate in Deutschland. Heute gibt es das Beratungsangebot bundesweit. Seit 1997 stellt die Deutsche Telekom die (08 00) 1 11 01 11 oder (08 00) 1 11 02 22 zur kostenlosen Nutzung bereit. Die vielen Anrufe jährlich zeigen, wie wichtig es ist, daß rund um die Uhr für jeden Menschen jemand da ist, der zuhört.
Daß Menschen vereinsamen, nicht wissen, wohin mit ihrem Kummer, ihren Sorgen, ist gerade in Großstädten ein immer drängender werdendes Problem. Sich seelsorgerischen Rat zu holen ist dabei keine weibliche Domäne und Einsamkeit keine Frage des Alters. So sind es nicht etwa ausschließlich einsame Renterinnen und Rentner, die sich ihren Kummer von der Seele reden wollen, auch erfolgreiche, junge Geschäftsleute, die materiell abgesichert und beruflich voll anerkannt sind, suchen Rat, wie sie mit ihren Ängsten und dem Leistungsdruck besser fertig werden können. Knapp zwei Millionen Anrufe erreichten die Telefonseelsorge im vergangenen Jahr, nicht ganz zwei Drittel der Anrufenden sind Frauen, am stärksten vertreten ist die Altersgruppe der 30- bis 59jährigen. Scherzanrufe, meistens von Kindern und Jugendlichen, sind allerdings auch keine Seltenheit. Häufigster Anlaß, eine der beiden kostenfreien 0800er-Nummern zu wählen, sind laut Statistik mit 11,6 Prozent seelische Belastungen, dicht gefolgt von Problemen in der Partnerschaft mit 10,1 Prozent. Halt geben und ermutigen möchten die bundesweit rund 7000 ehrenamtlichen Mitarbeiter der Telefonseelsorge. Dabei ist es ein ganz wichtiger und positiver Schritt, wenn Menschen überhaupt zum Hörer greifen. Vielen Anrufern tut ein gemeinsames Gebet sehr gut. Doch ist die Telefonseelsorge nicht missionarisch tätig, sie ist für alle da. Seit 50 Jahren steht die von der katholischen und der evangelischen Kirche gemeinsam getragene Telefonseelsorge Menschen in Krisensituationen rund um die Uhr zur Seite. Das Beratungsangebot hat sich dabei immer weiter differenziert. In Berlin beispielsweise gibt es mit "Telefon Doweria", zu Deutsch "Telefon des Vertrauens", eine ebenfalls rund um die Uhr besetzte Krisenhotline für russischsprachige Anrufer. Bundesweit hat sich die 2002 eingerichtete Internetbetreuung als neues Beratungsinstrument besonders bei jungen Menschen etabliert. (pm) |
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