Höhen und Tiefen

Es ist ein Unding, Menschen unseres Alters aus ihrem Erdboden zu reißen und ihnen irgendeine Zufallsheimat zu geben. Da ist ist es gar nicht möglich, dieser Heimat gegenüber gerecht zu sein. Hinzu kommt noch, daß dieses Königsberg wirklich wenig einschmeichelnde Eigenschaften hat", schrieb Marta Worringer (1881-1965) im November 1928 an ihre Freundin Louise Dumont. Die Malerin war mit den Kindern ihrem Mann, dem Kunsthistoriker Wilhelm Worringer (1881-1965), gefolgt, als dieser eine Berufung an die Königsberger Universität

erhielt.

Es war kein leichter Beginn, dort oben im Nordosten des Reichs, zu sehr waren die beiden Menschen dem Rheinland verbunden, wo sie 14 Jahre lang gelebt und gewirkt hatten. In Königsberg blieben sie schließlich 16 Jahre lang. Mit der Stadt und den Menschen sind die Worringers offensichtlich nie richtig warm geworden; ihr kleines Paradies aber fanden sie in Nidden, wo sie die Sommerferien verbrachten, wo sie auch in schwerer Zeit Zuflucht fanden.

Den kurvenreichen Lebensweg des Ehepaares Wilhelm und Marta Worringer hat Helga Grebing in einem spannend zu lesenden Buch nachgezeichnet. Die der Familie freundschaftlich verbundene Autorin zitiert aus Briefen und Tagebüchern und läßt so die beiden Menschen selbst zu Wort kommen. Entstanden ist ein Zeitpanorama, das die Katastrophen und Konflikte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenso lebendig werden läßt wie auch sonnige Tage und goldenen Zeiten. Der Leser erfährt viel über das Wesen der Künstlerin und Mutter Marta, aber auch über den Kunsthistoriker Wilhelm, dessen Dissertation "Abstraktion und Einfühlung" noch heute als eine der bedeutendsten kunsttheoretischen Schriften des 20. Jahrhunderts gilt. "Die Worringers" erzählt von einem Leben voller Höhen und Tiefen, von zwei Menschen, die meist miteinander die Hürden überwanden.

Helga Grebing: "Die Worringers, Bildungsbürgerlichkeit als Lebenssinn - Wilhelm und Marta Worringer (1881-1965)", Parthas Verlag, Berlin 2004, 320 Seiten, etwa 25 z.T. farbige Abbildungen, Fadenheftung, 38 Euro