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Nach Einschätzung der Welttourismusorganisation wird sich der Fremdenverkehr weltweit bis 2010 im Volumen verdreifachen. Dies bedeutet, daß die französischen Staatsbehörden, die eine aggressive Expansionspolitik im Felde der Touristik betreiben, für jenes Jahr einen Umfang von 100 Millionen Touristen im französischen Sechseck erwarten. Tourismus ist für Frankreich lebenswichtig, da ohne diese Einnahmequelle die Leistungsbilanz stark defizitär wäre. Zudem rechnen die Verantwortlichen dieser Branche mit der Schaffung von 100.000 Arbeitsplätzen durch den Zuwachs dieser Wirtschafts tätigkeit, sowohl direkt als indirekt.
Seit der Zeit André Malraux , der als erster Kulturminister der Republik unter de Gaulle amtierte, hat sich in Frankreich die Zahl der kulturellen Veranstaltungen so gewaltig entwickelt, daß jede kleine Stadt in der Provinz über ihre eigenen Festspiele verfügt, so daß das von seinen Einwohnern oft verlassene französische Land während der Sommerferien etwas Schwung bekommt.
Die französische Tourismuswirtschaft erstreckt sich allerdings nur auf einen Teil des Landes. Nach den vom Fremdenverkehrsstaatssekretariat geführten Statistiken verbringen die meisten Touristen ihre Ferien nur auf 30 Prozent des französischen Territoriums. Die Branche und die Behörden wünschten sich, daß 2010 diesen Prozentsatz auf 70 Prozent steigt, so daß fast ganz Frankreich dank des "grünen Erd-öl" aufblühen könnte. Abgesehen von der Mittelmeerküste, der Provence und selbstverständlich dem Baskenland konzentriert sich der Touristenstrom auf die Normandie, was zeigt, daß die See immer noch von den sowohl ausländischen als auch französischen Feriengästen bevorzugt wird. Unter den Ausländern hat 2003 die Zahl der britischen Feriengäste die der deutschen erstmals überschritten, während die amerikanische und asiatische Kundschaft weiter geschrumpft ist. Angehörige des Bene- lux bilden weiter eine treue Kundschaft.
Die französischen Touristen bleiben am liebsten in Frankreich (75 Prozent). Die Franzosen, die Ferien im Ausland verbringen wollen, fahren zu 58 Prozent in die europäischen Nachbarländer, darunter zu 21 Prozent nach Spanien und zehn Prozent nach Italien. Bemerkenswert bleibt, daß Ferien in Gebirgsgegenden von den Franzosen nicht so geschätzt sind und daß für die meisten französischen Urlauber Ferien an der Küste das bevorzugte Reiseziel, mit einer Präferenz für das Mittelmeer, darstellen.
Für 2003 werden die Ergebnisse von der Branche mittelmäßig eingeschätzt. Obgleich die französische Kundschaft nur geringfügig abnahm, wurde ein starker Rückgang bei der ausländischen Kundschaft registriert. In den Hotels wurde besonders die Zahl der europäischen Gäste als besonders rückläufig bewertet. Gründe dafür scheinen die Sozialunruhen im Frühling sowie die Absage berühmter Festspiele, wie denen von Avignon und Aix-en-Provence, gewesen zu sein, die jedes Jahr eine wohlbegüterte ausländische Kundschaft zumeist nach südfranzösischen Städten zog, die mit Salzburg und Bayreuth in Wettbewerb standen. In Avignon wurden zum Beispiel dieses Jahr 14 Prozent weniger Hotelreservierungen verbucht.
Die reformwillige Regierung von Jean-Pierre Raffarin, der darauf pocht, "das Frankreich von unten" anzuhören, will alles tun, um die Touristikbranche zu entwickeln, zumal der Premierminister sich zu einer ambitiösen Dezentralisierungspolitik verpflichtet hat, was natür- lich den Wohlstand der Provinz betreffen dürfte, und das Prosperieren von Landwirten, die Zusatzgewinne durch den Fremdenverkehr zu erwirtschaften hoffen, mit sich ziehen kann. Viele Franzosen verbringen nämlich gern die Ferien auf den Höfen, und in zahlreichen entlegenen landwirtschaftlichen Gegenden wie in Südwestfrankreich bildet diese Einnahmequelle für die französischen Landwirte einen nicht zu vernachlässigenden Einkommenszuwachs.
Insofern möchte die französische Regierung, daß alle Schichten der Bevölkerung des Landes von der vorhergesehenen Entwicklung des Welttourismus profitieren. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren hat Raffarin 2003 alle vom Fremdenverkehr betroffenen Minister um sich versammelt. Es bleibt nun zu hoffen, daß Sozialunruhen die Anstrengungen der Regierung nicht stören werden. |
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