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Zu den Großen der europäischen Geistesgeschichte gehört der Philosoph Immanuel Kant; er wurde vor 275 Jahren in Königsberg geboren (22. April); seines 195. Todestages gedenken wir am 12. Februar. Noch heute werden an seinem Grabmal am Königsberger Dom, das wie durch ein Wunder den Zweiten Weltkrieg und die Zerstörungen der Nachkriegszeit überstanden hat, Blumen niedergelegt. 200 Jahre sind am 22. März vergangen, da in Memel Friedrich Wilhelm Argelander geboren wurde. Der Schüler von Bessel wirkte lange Jahre u.a. in Bonn als Astronom; dort entstand schließlich auch die "Bonner Durchmusterung", eine Art Adreßbuch des Himmels mit einer Auflistung von 324 188 Sternen nach Standorten und Helligkeiten.
Ein Stern am Himmel der Musik war der in Königsberg geborene Komponist Otto Nicolai; er schuf die Shakespeare-Oper "Die lustigen Weiber von Windsor", die auch heute noch gern aufgeführt wird, und gründete die Wiener Philharmoniker. Nicolai starb vor 150 Jahren, am 31. Mai 1849.
Einen Stern, oder englisch: Star, würde man heute auch einen Mann nennen, der vor 125 Jahren am 11. Dezember auf dem Gut Arnoldsdorf, Kreis Briesen, in Westpreußen (aufgewachsen in Bischdorf, Kreis Rößel) geboren wurde und der in dem damals neuen Medium Film sagenhafte Erfolge feiern konnte: Paul Wegener. Er verkörperte auf unvergleichliche Art den östlichen Menschen im Film und auf der Bühne. Aber auch als Autor und Regisseur machte er sich einen Namen; Fachleute rechnen ihn zu den ersten Vertretern des Autorenfilms und sehen ihn als Wegbereiter des frühen deutschen Kinos.
Ein Wegbereiter ganz besonderer Art war der ebenfalls vor 125 Jahren geborene Volksschullehrer Richard Schirrmann aus Grunenfeld bei Heiligenbeil (am 15. Mai). Ihm verdanken es junge Menschen aus aller Welt, daß sie heute für nur wenig Geld auf ihren Fahrten komfortabel übernachten können. Der Pädagoge Schirrmann war es, der lange vor dem Ersten Weltkrieg die Idee der Jugendherberge ins Leben rief.
Auch einer Reihe 100. Geburtstage gilt es im kommenden Jahr besonders zu gedenken. Am 6. April wäre der Maler Hannes Schmucker 100 Jahre alt geworden. Er wurde in Eger als Sohn eines bayerischen Beamten geboren. Künstlerische Impulse aber erhielt der Maler vor allem in der Weite Ostdeutschlands, wohin er 1934 gezogen war und wo er Erfolge feiern konnte. Am 25. Juni vor 100 Jahren wurde Hansgeorg Buchholtz als Sohn ostdeutscher Eltern im elsässischen Mühlhausen geboren. Seine Kindheit und Jugend aber verbrachte der spätere Pädagoge und Schriftsteller in Masuren. 1959 wurde er für sein literarisches Schaffen mit dem Ostdeutschen Kulturpreis ausgezeichnet. In Wehlau wurde vor 100 Jahren (am 13. November) der Maler und Graphiker Erich Behrendt geboren. Der Schüler von Arthur Degner an der Kunstakademie Königsberg wurde 1966 mit dem Ostdeutschen Kulturpreis ausgezeichnet und ist vor allem durch seine treffsicheren Illustrationen und leichten Federzeichnungen bekannt geworden.
In Berlin erblickte vor 100 Jahren (am 25. November) ein Knabe das Licht der Welt, der als Maler und Graphiker Erfolg haben sollte, der aber auch Möbel und sogar Eissegelschlitten entwarf: Karl Storch d. J., der allerdings 1902 bereits nach Ostdeutschland gelangte, wo sein Vater Karl einen Lehrauftrag an der Königsberger Kunstakademie erhielt. Tilsit schließlich war die Vaterstadt eines Mannes, der dort am 9. Dezember vor 100 Jahren geboren wurde: Frank Wisbar. Der Regisseur wurde bekannt durch Filme wie "Mädchen in Uniform", "Haie und kleine Fische", "Hunde wollt ihr ewig leben" oder "Nacht fiel über Gotenhafen".
Bald 75 Jahre sind vergangen, da in Königsberg ein Mann starb (20. November), dem ein Kritiker einmal eine "liebenswerte Persönlichkeit" und ein "charaktervolles Komikergesicht" bescheinigt hatte: Robert Johannes, der mit Nachnamen eigentlich Lutkat hieß, aus Insterburg stammte und als "Tante Malchen" oder als "Klempnermeister Kadereit" das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hinriß. Auch in Berlin feierte der Insterburger als "Erster ostdeutscher Dialektrezitator" Triumphe.
Im Todesjahr des Komikers (1924) erblickten drei Menschen das Licht dieser Welt, die mit ihrem künstlerischen und schriftstellerischen Schaffen viel Freude bereiteten: Edeltraud Abel-Waldheuer ( 1994) wurde in Königsberg geboren (28. April) und wirkte als Malerin und Graphikerin. Ihr Werk umfaßt graphische Blätter, Monotypien, Aquarelle und Ölbilder. Ebenso vielfältig wie ihre Techniken war auch der Themenkreis, dem sich die Künstlerin zuwandte: Landschaften, Blumenstilleben, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, Porträts, in denen sie vor allem die Seele des Porträtierten darstellte. Am 17. Oktober 1924 wurde Karl Heinz Engelin ( 1986) in Memel geboren. Seine Bronzen und Edelstahlplastiken sind auch heute noch auf vielen öffentlichen Plätzen und vor Gebäuden in Hamburg zu finden. Unvergessen auch die Dichterin und Schriftstellerin Annemarie in der Au ( 1998); sie hätte am 22. Oktober ihren 75. Geburtstag feiern können. Die Tilsiterin hat mit ihren humorvollen Erzählungen und Romanen, ihren nachdenklich stimmenden Versen und so manchen ironischen Betrachtungen ihre Lesergemeinde begeistert. 1988 wurde sie mit der Verleihung des Ostdeutschen Kulturpreises ausgezeichnet.
Vor einem halben Jahrhundert starb in München der Polarforscher und Geograph Erich von Drygalski (10. Januar). Mit seinem Forschungsschiff "Gauß" eroberte er um die Jahrhundertwende die damals noch weitgehend unbekannte Antarktis.
Vor 25 Jahren mußte der Maler, Graphiker und Lehrer an der Königsberger Akademie Eduard Bischoff aus Königsberg diese Welt für immer verlassen (4. Januar). Der Träger des Ostdeutschen Kulturpreises (1959) hat nicht zuletzt auch durch seine einfühlsamen Darstellungen des Landlebens in Ostdeutschland, aber auch durch seine meisterhaften Porträts viele Freunde gewinnen können.
Im gleichen Jahr starb in Lüneburg der Maler Kurt Bernecker aus Königsberg (19. August). Der Schüler von Heinrich Wolff und Meisterschüler von Carl Albrecht an der Königsberger Kunstakademie, der mit der Graphikerin Gertrud Lerbs verheiratet war, schuf farbintensive Bilder und auch Plastiken. Ein Meister des Wortes war der vor 25 Jahren verstorbene Martin A. Borrmann (3. Dezember). Der in Rößel geborene Schriftsteller und Dramaturg am Königsberger Schauspielhaus wurde 1961 mit dem Ostdeutschen Kulturpreis ausgezeichnet; neben Novellen, Erzählungen und Features für den Rundfunk schrieb er auch einen Roman: "Trampedank Vom Glück der Pechvögel".
Wieder war es unmöglich, an dieser Stelle all derer zu gedenken, die Großes geleistet haben. Wir werden auch in diesem Jahr immer wieder einmal auf Leben und Wirken bedeutender Ostdeutschland eingehen. Möge denn diese Auswahl zunächst nur stellvertretend stehen für all die Frauen und Männer aus dem deutschen Osten, die mit Mut und Kraft ihre Aufgabe erfüllten. Erweisen wir uns ihrer würdig, denn: "Der Mensch lebt, wirkt nur in der Idee fort, durch die Erinnerung an sein Dasein" (Novalis).
Weitere Hinweise auf Gedenktage und historische Ereignisse finden sich auch in der Broschüre "Ostdeutsche Gedenktage 1999" (Hrsg. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonner Talweg 68, 53113 Bonn; 16,80 DM)
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