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Fast direkt neben dem Wiener Stephansdom, in der Singerstrasse 7 liegt das heutige Haupthaus des Deutschen Ordens, der Sitz seines 65. Hochmeisters, Abt Dr. Bruno Platter. Wer heute die nach Überwindung der Bedenken des Denkmalschutzamtes neu gebauten 31 Gästezimmer bezieht, hat die Chance, morgens mit dem Hochmeister zu frühstücken. Denn auch er sitzt mit seinen Patres und Mitarbeitern im Frühstücksraum mit dem Blick auf die Domtürme.
Der 1944 auf dem Ritten in Südtirol geborene Kirchenrechtler leitet seit August des Jahres 2000 den mehr als 800 Jahre alten einstigen Deutschen Ritterorden, dessen Glanz auch die im Hause befindliche Schatzkammer, Archiv und Bibliothek widerspiegeln. Die Priester, Brüder, Schwestern und Familiaren leben und wirken heute in Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien, Tschechien. der Slowakei und Belgien in Seelsorge und karitativen Einrichtungen.
Ehrenritter gibt es nur noch wenige, darunter Otto von Habsburg und der Kölner Kardinal Meisner. Der Deutsche Orden ist einer der wenigen Orden, dessen Oberer nicht in Rom residiert.
Hochmeistersitz wurde Wien 1809. Unter den Nationalsozialisten wurde der Orden in Österreich aufgehoben. In das Deutsche Haus zog die SS ein, und Himmler entwickelte hier in einer Rede seine Ideen über die Neugründung eines Ordens nach NS-Ideologie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die Republik Österreich den Orden wieder in seine alten Rechte ein und gab den enteigneten Besitz zurück. Damals war Hochmeister Robert Schälzky mit den Ordensbrüdern und Schwestern aus dem Sudetenland vertrieben worden. Er fand Aufnahme in Lana / Südtirol, wo der Orden überlebt hatte. Die Verbundenheit des Ordens mit den Sudetendeutschen bezeugt eine Tafel im Eingang des Hauses. Die Brünner gedenken ihrer bei Flucht und Vertreibung umgekommen Landsleute.
Auch vor dem großen Gebäudekomplex erinnert eine Tafel an die Zeit zwischen 1938 und 1988: "In der Welt seid Ihr in Bedrängnis. Aber habt Mut. Ich habe die Welt besiegt" (Jo. 16, 33). Mit 1. September 1938 lösten die Nationalsozialisten die Ballei Österreich des Deutschen Ordens auf. Am 24. März 1947 erklärte die Regierung der Republik Österreich die Auflösung für widerrechtlich und nichtig."
Das Haus in Wien beherbergt inzwischen wieder das von Zeit zu Zeit zusammentretende Generalkapitel, hat Zimmer für Ordensmitglieder, Gäste des Hochmeisters und den Ordensnachwuchs, der überwiegend in Innsbruck studiert.
Drei junge Tschechen bereiten sich derzeit auf den Eintritt in den Orden vor, der in ihrer Heimat den etwas veränderten alten Ordensnamen "Brüder und Schwestern vom Haus Mariens in Jerusalem" führt. Hochmeister Platter erzählt von der kürzlich erfolgten Rückgabe von Ordensbesitz in Slowenien und den Problemen, ihn entweder wieder zu nutzen oder zu veräußern. Denn gepflegt haben ihn die Kommunisten nicht gerade.
Der Archivar des Ordens, P. Professor Bernhard Demel, weiß spannend aus der Ordensgeschichte zu berichten. Über das Wiener Haus selbst hat er ein Büchlein geschrieben. Wenn er seine Besucher an den vielen Akten- und Bücherschränken vorbeiführt, vergißt er nicht den Hinweis, daß sie vom letzten Ritterhochmeister Erzherzog Eugen (1894-1923) als Gesellenstück getischlert wurden. Als Sohn des habsburgischen Kaiserhauses hatte er wie üblich ein Handwerk erlernen müssen.
Die Geschichte des Wiener Ordenshauses beginnt schon an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert. Nur der schmale Kirchturm ist in seiner Grundsubstanz bis heute erhalten. Viel von dem riesigen Komplex aus dem 14. Jahrhundert ist vermietet: an das Erzbistum, das dort unter anderem eine Medienakademie führt, an Geschäfte und das Mozarthaus.
In zeitgenössischen Kostümen musiziert ein Quartett regelmäßig in der "Sala Terrena" mit seinem wunderschönen Gewölbe. In diesem freskengeschmückten Raum - wohl dem ältesten des Hauses - gab Mozart selbst einige Konzerte. Im Deutschen Haus wohnte er 1781 etwa zehn Wochen.
Hochmeister Platter und seine Mitbrüder zelebrieren in der zum Haus gehörenden gotischen St. Elisabethkirche. An den Wänden erinnern Aufschwörschilde an die Zeit vor 1929, als aus dem Ritterorden ein klerikaler Orden päpstlichen Rechts wurde. 1916 erfolgte vor dem Altar der letzte Ritterschlag. Unter den Nazis war die Kirche ein Magazin. In der Schatzkammer im ersten Stock werden Pretiosen aus der Zeit von 1198 bis 1929 gezeigt. Darunter sind kostbares Tafel-und Meßgerät und eine Sammlung orientalischer Prunkwaffen, eine der bedeutendsten in Europa.
Fotos:
Hier kann man mit dem Hochmeister frühstücken
Drei Tschechen bereiten sich auf den Eintritt vor
Residiert in Wien: Hochmeister Bruno Platter vor dem Bild eines seiner Vorgänger, Wilhelm von Österreich (1863-1894) |
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