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Ein knorriger, angenehm respektloser und rechtschaffen umstrittener Jazz-Guerillero verläßt die Bühne", schrieb bedauernd das "Hamburger Abendblatt". Gemeint ist Michael Naura, seit 1971 Leiter der Jazz-Redaktion beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg. Naura geht Ende August in den wohlverdienten "Unruhestand", denn kaum einer kann sich vorstellen, daß er die Hände in den Schoß legen wird, nun, da er das Rentenalter erreicht hat, zu sehr ist der am 19. August 1934 in Memel Geborene der Musik verhaftet.
1940 kommt Naura nach Berlin, wo er später beginnt, Philosophie , Soziologie, Publizistik und Graphik zu studieren. Dann aber nimmt ihn der Jazz gefangen. Mit einem Freund, dem Vibraphonisten Wolfgang Schlüter, zieht er bald durch die Studentenkeller der Stadt, gründet eine Band und gibt Konzerte. Zunächst ist es nur "Abgekupfertes", später dann auch eigene Kompositionen und Arrangements. Ein Angebot aus Hamburg weist den Weg; wieder Auftritte in verrauchten Kellern, von 20 bis 4 Uhr, sieben Jahre lang. "In dieser Zeit spielten wir unbeirrbar Jazz der aktuellen Schattierungen." Gastspiele des Michael-Naura-Quintetts und Aufnahmen für den Norddeutschen Rundfunk lassen den Memeler und seine Mannen bekannt werden. Ein eigenes Repertoire entsteht, schließlich die Zusammenarbeit mit dem Lyriker Peter Rühmkorf.
Michael Naura, der Vollblutmusiker, über Jazz in einem Interview: "Je älter ich werde, desto tiefer bin ich davon überzeugt, daß der Jazz im wesentlichen eine rhythmische Dimension ist das, was Duke Ellington Swing nannte ... Jazz muß unbedingt dieses wichtige Erbe des Swing weitergeben, sonst ist es aus." Und: "Jazz geht weit über Musik hinaus, das ist fast ein Lebensentwurf. Jedenfalls eine Angelegenheit, die den Charakter formt."
Doch nicht nur Jazz prägte sein Leben, der Mann aus Memel schreibt auch prägnante Kolumnen und zeichnet. Daß es ihm im Ruhestand einmal langweilig werden wird, darf man kaum annehmen.
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