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Jospin fürchtet die Spaltung

 
     
 
Der kommende Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich verspricht spannend zu werden. „Kohabitation“ nennen es die Franzosen, wenn Präsident und Regierungschef aus zwei gegensätzlichen Lagern stammen. Seit Jahren ist dies mit Präsident Chirac (rechts) und Ministerpräsident Jospin (links) Alltag an der Seine - das Wahlrecht macht es möglich.

Nun will Lionel Jospin selber Staatspräsident werden. Die beiden mächtigsten Männer des Landes gehen aufeinander los, die Medien sind kaum noch zu halten. Doch stehen nicht die beiden genannten Hauptmatadore im Rampenlicht, sondern der linke Außenseiter Jean-Pierre Chevènement. Die womöglich wahlentscheidende Frage ist nämlich, ob der Ex-Minister seinen Anhängern zum zweiten Wahlgang eine Empfehlung für Jospin mitgeben wird oder nicht. Chevènement hatte die sozialistische
Partei wegen deren Zugeständnissen an die korsischen Regionalisten verlassen und war als Innenminister zurückgetreten. Seitdem ist das Verhältnis zu Jospin erkaltet.

Die Franzosen wählen ihren Präsidenten direkt und in zwei Gängen. Im ersten tritt eine große Zahl von Kandidaten an, beim zweiten (entscheidenden) nur die zwei, welche im ersten Durchgang die meisten Stimmen erlangt hatten. Die ausgeschiedenen Bewerber geben gemeinhin Empfehlungen an ihre Anhänger ab, wem sie am Ende zum Sieg verhelfen sollen - die „Kleinen“ sind daher äußerst wichtig für das Endergebnis.

Ohne eine Empfehlung Chevènements hat der aussichtsreichste Kandidat der Linken, Jospin, kaum Chancen, sich gegen den konservativen Amtsinhaber Chi-rac durchzusetzen. Der Generalsekretär von Jospins Sozialistischer Partei, François Hollande, bemüht sich derzeit um das Lager des Abweichlers. Dabei hilft ihm, daß Chevènements Umgebung die Brücken zu den Sozialisten trotz des Korsika-Zerwürfnisses nicht abbrechen will und verhandlungsbereit erscheint. Auch KP-Chef Robert Hue drängt die „Chevènementisten“, im zweiten Wahlgang für Jospin zu stimmen.

Nach einer Umfrage des Instituts CSA von Ende Oktober kann Chevènement beim ersten Wahlgang den dritten Platz erreichen mit immerhin neun Prozent. Doch: Wenn die Wahl jetzt stattfände, käme Chirac beim entscheidenden zweiten Wahlgang auf 53 Prozent gegenüber 47 Prozent für Jospin.

Selbst wenn die Umfragen bald günstiger ausfallen sollten, blieben die Perspektiven für Jospin heikel: Langjährige Beobachter der politischen Szene Frankreichs erinnern sich an 1981, als der damalige bürgerliche Staatschef Valéry Giscard d’Estaing zunächst als sicherer Gewinner galt. Zu jener Zeit war Chirac der „dritte Mann“ und unternahm herzlich wenig, seinem konservativen Mitbewerber vom ersten Wahlgang bei der Stichwahl zu helfen. So konnte Sozialist Mitterrand Giscard aus dem Elysée ver- drängen. Im kommenden Jahr nun könnte seinerseits Chevènement (der sich Georges Clemenceau - den Unterzeichner des Vertrags von Versailles - zum Vorbild genommen hat), beflügelt von der Aufmerksamkeit der Medien und der Popularität bei gewissen Kreisen der Arbeitgeberschaft, von einem eigenen Weg abseits der klassischen Linken träumen - und Jospin im Regen stehen lassen.

Die anderen Kandidaten mit Ausnahme des isolierten Le Pen dürften in der Stichwahl treu zu ihren jeweiligen Lagern stehen. Sie wären sowieso chancenlos: Keiner kann mehr als fünf Prozent erhoffen. Allein die Kommunisten mit Robert Hue wollen wenigstens ihre 8,5 Prozent von 1995 halten, was nach Umfragen schwierig genug wird. Für sie ist die Wahl zur Nationalversammlung voraussichtlich Anfang Juni viel wichtiger - die gilt als entscheidend für den Fortbestand der KP Frankreichs.

Innere Probleme wie Kriminalität beherrrschen die Szene, da die gegenwärtige internationale Krise (bei der Frankreich nicht viel zu sagen hat) die Wähler nicht unmittelbar berührt. Soziale Knackpunkte wie die Rente wurden von der Regierung geschickt vertagt. Bliebe noch die Korsika-Frage - aber gerade hier haben sich Jospin und Chevènement entzweit. Chirac darf leise hoffen, daß das Lager seiner linken Herausforderer daran zerbricht.

 
     
     
 
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