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Der Vertrauensverlust in unserem Land habe handfeste Gründe, sagte Bundespräsident Johannes Rau in seiner letzten Berliner Rede. Recht hat er. Dazu gehört auch und gerade die geringe Identifikation der Wähler mit den Politikern, die sie regieren. Die meisten Deutschen denken, daß "die da oben" stets machen, was sie wollen. Und wenn alle vier Jahre eine Wahl ansteht, dann treten Parteien mit programmatisch weich- gespülten Programmen gegeneinander an. Alternativen lassen sich kaum ausmachen.
Das liegt auch an der Struktur der etablierten Parteien. Ob CDU/CSU und FDP oder B90/Grüne, SPD - sie alle nominieren ihre Kandidaten nach einem Delegierten- prinzip. Dieses Delegiertenprinzip fördert das Duckmäusertum. Wer sich zu sehr von der allgemeinen Parteilinie entfernt und kontroverse Thesen vertritt, der wird durch ein ausgeklügeltes Kungelrunden-System schnell aussortiert. Beispiele finden sich in jeder etablierten Partei: Martin Hohmann (CDU), Jürgen W. Möllemann (FDP), Peter Gauweiler (CSU), Oskar Lafontaine (SPD) und Hans-Christian Ströbele (Grüne).
Sie alle waren bei ihrer Basis beliebt, wurden aber von den Parteiführungen aufs Messer bekämpft. So erging es auch dem Sozialdemokraten Walter Momper. Alle waren gegen ihn: das eigene "Parteiestablishment" genauso wie fast die gesamte Presse. Und trotzdem gewann er 1999 das Herz der Basis und wurde Spitzenkandidat.
Für den Vorstand der Berliner Sozialdemokraten war dies ein niederschmetterndes Ergebnis. Es hatte aufgezeigt, daß der von ihm favorisierte Bildungssenator Klaus Böger bei den eigenen Mitgliedern nicht ankam. Also ging die Partei 2001 wieder dazu über, Kandidaten aus dem Hut zu zaubern, ohne die Mitglieder dazu zu befragen. Klaus Wowereit war ein gänzlich unbekannter Mann, als er nach Eberhard Diepgen Regierender Bürgermeister wurde.
Ob die SPD-Basis angesichts von Berlins schwerer wirtschaftlicher Not wirklich einen solchen Partyhengst gewählt hätte, darf stark bezweifelt werden. Daß es jetzt aus der CDU heraus einen neuen Vorstoß in Richtung Urwahl gibt, ist daher um so erfreulicher. Wenn die Partei ihre Personalentscheidungen wieder den Mitgliedern überläßt, kann sie mit spontaner Zustimmung rechnen. Die SPD jedenfalls verzeichnete eine regelrechte Eintrittswelle, als sie 1995 und 1999 die Urwahl durchführte.
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