|
Das von den früheren Ministern Jossi Beilin und Yassir Abed Rabbo ausgehandelte israelisch-palästinensische Übereinkommen wurde am 1. Dezember in Genf feierlich unterzeichnet. Allgemein wird es nun "Genfer Initiative" genannt, um nicht ein völkerrechtliches "Abkommen" vorzuspiegeln. Ausgangspunkt war eine Anregung des Genfer Rechtsphilosophen Alexis Keller. Das Schweizer Außenministerium hatte dann die mehrjährigen Verhandlungen technisch und finanziell unterstützt, aber nie inhaltlich beeinflußt, wie Außenministerin Calmy-Rey in ihrer Rede betonte.
An dem schlichten Festakt nahmen auch namhafte Vertreter aus Politik und Kultur teil, darunter die Ex-Präsidenten Jimmy Carter und Lech Walesa, die israelischen Schriftsteller Amos Oz und David Grossmann sowie der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy. Der König von Marokko und der ägyptische Präsident hatten je einen persönlichen Vertreter entsandt. Grußadressen kamen unter anderem von Nelson Mandela, Romano Prodi, Jacques Chirac und Yassir Arafat, der an die Welt appellierte, die "mutige Initiative" zu unterstützen. Die Regierung Scharon lehnt die Initiative heftigst ab und war dementsprechend nicht vertreten. Da die Initiative aber auch unter Palästinensern umstritten ist, fuhren erst in letzter Minute - offenbar auf Druck Arafats - offizielle palästinensische Vertreter nach Genf.
Die Initiative war von Medien und Staatskanzleien zunächst weitestgehend ignoriert worden. Die hatte als erstes deutsches Presseorgan über den Abschluß der Verhandlungen berichtet. Geheim war die Sache aber nie - wollten andere erst eine "Genehmigung" oder "Sprachregelung" abwarten?
In Israel wurde bereits im Oktober ausführlich über die Initiative berichtet, und im November lief in den Zeitungen eine großangelegte Werbekampagne. Werbung in Radio und Fernsehen allerdings hatte die Rundfunkbehörde verboten.
Drei Tage nach der Unterzeichnung wurden Beilin und Abed Rabbo in Washington von Colin Powell empfangen. Auch da waren Fernsehkameras nicht zugelassen, und der israelische Vize-Premier Olmert verstieg sich sogar dazu, diese Einladung einen "Fehler" zu nennen. Powell zählt bekanntlich zur Minderheit der "Tauben" unter lauter "Falken". Daß er trotzdem in der Regierung Bush bleiben darf oder muß, hängt damit zusammen, daß sein Ausscheiden die Wiederwahl von George Bush noch schwieriger machen würde. Jüdische Vorfeld-Organisationen in den USA - allen voran die "Anti-Defamation League" - polemisieren meist heftig gegen die Initiative. Umgekehrt treten jüdische Intellektuelle und Künstler in Europa und in den USA für die Initiative ein, wie sich an Unterschriftenlisten zeigt, die als Inserate geschaltet werden.
Daß die Initiative auch unter Palästinensern höchst umstritten ist, hängt vor allem damit zusammen, daß man das "Recht auf Heimkehr", das durch Völkerrecht sowie durch etliche Uno-Resolutionen "garantiert", doch durch US-Veto sabotiert wird, weitestgehend aufgeben müßte. Die Zahl der Gegendemonstranten allerdings war bisher - für dortige Verhältnisse - eher gering. Immerhin werden nun neben israelischen und amerikanischen Fahnen auch solche mit dem Schweizer Kreuz verbrannt.
Die "Genfer Initiative" ähnelt einem Friedensvertrag. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß sie wesentliche Punkte offenläßt: Es sind dies die heiklen Durchführungs- und Übergangsbestimmungen sowie die besonders "heiße" Frage der Wassernutzung. Der israelische Wasserraub - oder politisch korrekt, die "Entnahme" von Wasser aus dem Jordan und seinen Zubringern - ist völkerrechtswidrig und obendrein zynisch. Denn wegen Einwanderung und israelischer Plantagenwirtschaft kriegen Palästinenser heute pro Kopf nur noch ein Zwanzigstel der Wassermenge, die ein Israeli zur Verfügung hat.
Die Regierung Scharon, die in Ost-Jerusalem soeben ein neues jüdisches Viertel mit 550 Wohnungen bewilligte und nahezu täglich palästinensische Häuser und Ölbaum- haine niederwalzen läßt, begründet ihre Ablehnung der "Genfer Initiative" damit, sie gefährde die "roadmap". Eine "logische" Haltung, denn so wie der "Friedensprozeß" ist auch die "roadmap" eine dialektische Seifenblase, in deren trügerischem Schillern man ungestört vollendete Tatsachen schaffen kann.
Jene vorauseilend Gehorsamen aber, die "roadmap" als "Friedensplan" übersetzen, seien daran erinnert, daß "roadmap" nur "Straßenkarte" heißt, und eine solche gibt zwar Punkte und Distanzen an, nicht aber, wer sich wann wohin bewegen soll.
Reaktionen in Ramallah: Während die Unterzeichner der Genfer Nahost-Initiative in der Schweiz ihr Bekenntnis zum Frieden feierten, gingen in der betroffenen Region die Palästinenser auf die Straße, um zu zeigen, was sie von dem Vertrag, der für sie wesentliche Punkte offenläßt, hielten. |
|