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Das Leben in diesem Entwicklungsland ist unendlich beschwerlich. Überall blüht die Korruption, die Ökonomie lahmt, die Menschen fliehen in die Schattenwirtschaft. Stetig wächst die Kluft zwischen Arm und Reich. In der Politik blockieren sich Regionen und Zentralregierung, rechte und linke Rebellen destabilisieren einen Staat, dem die Bürger längst nicht mehr trauen. Landstriche verfallen, die Eliten verlassen das Land, das Bildungssystem ist so marode wie die Infrastruktur ... Dieses Entwicklungsland heißt Deutschland."
Und über dieses Entwicklungsland berichtet der ehemalige Spiegel-Redakteur Hajo Schumacher in "Kopf hoch, Deutschland". Ausführlich geht der Autor im ersten Teil auf jegliche Bedenken ein, die man im Zusammenhang mit Deutschland äußern kann. Genauso ausführlich belegt er aber auch, daß Nörgeln und Jammern noch nie geholfen habe. "Man muß kein Psychologe sein, um zu ahnen, welche Folgen dauerhaft zu erwarten sind. Nie hat ein Kind schneller gelernt oder besser gehorcht, wenn man ihm von früh bis spät eintrichtert, wie faul, wie unflexibel und dumm es doch sei ..." Diese Erkenntnis sei ziemlich gut auf die Stimmung in Deutschland übertragbar. Das allgemeine Meckern und Mäkeln bremse nicht nur Lebenslust und Schaffensfreude, es verstelle auch den Blick auf die großartigen Erfolgsgeschichten, die derzeit geschrieben würden.
Einige dieser Erfolggeschichten stellt der Autor vor. Ob der Sozialdezernent Pipa, die erfolgreiche Molkerei in Bad Bibra, Schulleiterin Schmittke, Pastor Westphal aus Hamburg, das Elternpaar Lauxen / Gustmann, Bürgermeister Spahl von Rednitzhembach oder die Sparda-Bank; sie alle haben etwas gemeinsam: Sie haben eine schier aussichtslose Lage gemeistert und Arbeitsplätze geschaffen oder zumindest gesichert. Diese "optimistischen Geschichten aus einer verzagten Republik" sollen Mut machen. Schumacher verweist darauf, daß all diese Menschen nach derzeitigem Verständnis äußerst "uncool" und spießig seien, denn sie hätten sich auf so "altmodische" Tugenden wie Pünktlichkeit, Ausdauer und Ehrlichkeit verlassen. Sie alle entstammten dem heute ungeliebten mittleren Bürgertum, daß für den Autor der Motor eines neuen Wachstum sein wird.
Gut, Schumacher ist schon fast überoptimistisch. Seine Beispiele können nur als winzige Puzzleteile für ein neues Selbstbewußtsein gesehen werden. Außerdem sind die Beispiele des Autors wirklich nur aus einem Gesellschaftsbereich, dem es trotz Krise immer noch recht gut geht. Keiner der Personen war je ganz unten. Trotzdem machen seine Berichte Mut. Sein Hinweis auf traditionelle Tugenden sind berechtigt, und manche seiner Erkenntnisse sollten sich die Deutschen zu Herzen nehmen.
"Glück hat wenig mit Reichtum oder Status zu tun, auch nicht mit Freizeit oder Unterhaltung, sondern ganz im Gegenteil mit Akribie, mit der Anstrengung, eine Sache richtig, ganz und gar gut machen zu wollen." Fritz Hegelmann
Hajo Schumacher: "Kopf hoch, Deutschland", Blessing, München 2005, geb., 223 Seiten, 16 Euro |
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