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Bereits Anfang der 80er Jahre wiesen Politiker wie der Berliner Ex-Innensenator Heinrich Lummer in Reden und Kommentaren darauf hin, daß Deutschland in schweren Fällen sehr wohl politisches Asyl gewähren, aber kaum ein Einwanderungsland sein könne. Auch andere Persönlichkeiten, die sich gleichermaßen äußerten, erhielten wie der Berliner populäre Politiker den Mantel des Erzkonservativen und Rechtslastigen umgehängt.
Die Ausländerproblematik ist aber inzwischen in einem solchen Maße gestiegen, daß es auch bei Mitgliedern der Berliner rotgrünen Bundesregierung dämmert: Das Boot ist bereits über den Rand hinaus gefüllt. Innenminister Otto Schily von der SPD brachte es in der ihm eigenen verhaltenen Art zum Ausdruck und mußte dafür hysterisches Protestgeschrei vor allem aus dem Lager der Grünen in Kauf nehmen.
Jetzt hat auch die Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) in diese schwelende Wunde gegriffen und mit einem unorthodoxen Vorschlag für einiges Aufsehen gesorgt. Ausländische Häftlinge, so sagte sie einer großen Tageszeitung, sollen künftig ihre Strafe im Heimatland absitzen und dafür aus Deutschland abgeschoben werden. Die Ministerin mit dem Flair einer schwäbischen Pfarrersfrau ist indes klug genug zu wissen, daß ein solches Vorhaben so einfach auch wieder nicht umzusetzen ist. Deshalb fügte sie flugs hinzu, daß Voraussetzung für die Abschiebung derlei Ausländer von Zelle zu Zelle sein müsse, daß es in der jeweiligen Heimat einen wirksamen und rechtsstaatlichen Strafvollzug gebe.
Allein, gerade diese letztere Überlegung ist eine äußerst dünne Brücke, über die die Ministerin zu gehen haben wird. Da sind zum einen die Länder, in die abgeschoben werden soll. Es ist anzunehmen, daß diese ihre Gefängnisse auch nicht überfüllt sehen wollen und deshalb dankend ablehnen werden. Zum anderen werden einige Länder mit treuherzigem Augenaufschlag versichern, einen rechtsstaatlichen, humanen Strafvollzug zu besitzen, obwohl dies in einzelnen Fällen mitnichten der Wahrheit entspricht. Prüfungskommissionen müßten also sowohl vom Innen- als auch vom Justizministerium geschaffen werden, der Aufwand dazu wäre nicht unbeachtlich, ganz zu schweigen von Irrtümern und Skandalen, die dabei entstehen können.
Andererseits sagt die Ministerin aus dem Schwabenland zu Recht, Ausländer und Spätaussiedler gehörten zu den "Randgruppen", die besonders häufig im Gefängnis landeten. Nicht zuletzt deshalb seien die deutschen Haftanstalten überfüllt. Mit leichter Zunge sagt sie das und will doch nur, so scheint es, am Symptom und nicht an der Wurzel kurieren. Vor allem für den "Einlaß" dieser sogenannten Randgruppen bedarf es einer besseren und mit Verlaub gesagt strengeren Gesetzgebung. Fairerweise wartet die Justizministerin auch mit Zahlen auf, und die sind alarmierend genug. Im März 1998 waren von den gut 49 000 Strafgefangenen in deutschen Gefängnissen 13 807 Ausländer. Das entspricht einem Anteil von immerhin 28 Prozent.
Erstaunlich, daß zu dem Däubler-Gmelin-Vorschlag seitens der CDU/CSU- und FDP-Opposition bisher kaum ein Wort gefallen ist. Nur beim grünen Regierungspartner regt sich Unmut. Deren rechtspolitischer Sprecher Volker Beck fordert mehr "Behutsamkeit" in der Diskussion über die Kriminalität von Ausländern und deren Abschiebung zur Strafverbüßung in die jeweilige Heimat.
"Inländer mit ausländischem Paß", so die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck von den Grünen, "sollen ihre Strafe bei einer strafrechtlichen Verurteilung in Deutschland verbüßen können, da sich ihr Lebensmittelpunkt hier in Deutschland befindet."
Beobachter meinen unterdessen, daß der jüngste Vorschlag der Ministerin eine Art Auftakt für eine umfassende Änderung des deutschen Rechtswesens bedeutet. Zuerst plane sie die Reform des Zivilverfahrens und danach des Strafprozesses. Dazu verwendet Frau Däubler-Gmelin Argumente wie "mehr Bürgernähe, mehr Effizienz und mehr Transparenz".
Die SPD-Politikerin spricht sich außerdem dafür aus, einen Teil der langjährig inhaftierten Straftäter vorzeitig aus der Haft zu entlassen. Es gehe dabei allerdings um diejenigen Häftlinge, die "keine Gefahr mehr für die Gesellschaft darstellen". Damit wäre ein fragwürdiger Konsens mit den Bündnisgrünen klammheimlich hergestellt, denn deren Bundestagsabgeordneter und Alt-68er Christian Ströbele erhebt solche Forderung schon seit Jahren. Herbert Hewen
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