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Kritik unerwünscht

 
     
 
Wie viele Studenten der osteuropäischen Geschichte habe ich einen slawischen Nachnamen, da meine Familie väterlicherseits aus Schlesien stammt.

(...) Da die Familie meines Vaters deutsche Schlesier waren, bin ich eine ganz normale Deutsche und habe keinerlei familiäre Voraussetzungen für die slawischen Sprachen (lediglich mein Großvater stammte „von jenseits der Oder“ und war mit Polnisch und Wasserpolnisch vertraut).

Tschechisch
mußte ich als Nicht-Slawistin mühsam erlernen. Daraus ergibt sich auch, daß ich mich ausschließlich als Deutsche fühle und nicht wie viele andere in diesem Milieu zwischen zwei Ländern stehe.

Aufgrund meiner vier Jahre im Ausland habe ich das spezifisch deutsche Unwohlsein mit der eigenen Nationalität teilweise abgelegt und glaube, daß das Phänomen der Heimat - sowohl die nationale als auch die regionale - von großem Einfluß auf den Menschen ist und das heute so übliche Leugnen einer solchen Heimat eine Illusion darstellt.

Meine Auslandserfahrungen sind maßgeblich dadurch geprägt

worden, daß ich in kleinen, mehr oder weniger unmittelbaren Nachbarstaaten von Deutschland war, die während des Krieges unter Deutschland sehr gelitten haben.

Ich bin dadurch nicht nur toleranter, sondern in einigen Bereichen wesentlich intoleranter geworden. Ich möchte in Deutschland leben, nicht zuletzt, weil ich nicht mehr „fremd“ sein möchte. (...)

Sich zum deutsch-tschechischen Verhältnis zu äußern, ist eine schwierige Sache. Meine Zeit in Prag fiel zusammen mit dem letzten Jahr von Gerd Albrecht als Dirigent der Tschechischen Philharmonie. Wenn nationale Gesichtspunkte in dieser Gestalt auch in die internationale Welt der Musik eindringen, dann handelt es sich in meinen Augen um ein Niveau, für das ich keine Energien mehr habe und das ich als Zeitverschwendung empfinde.

Dies soll nicht heißen, daß es nicht auch positive Erfahrungen ge-

geben hat, insbesondere mit meinen wissenschaftlichen Betreuern. Sie gehörten jedoch nicht zu den alltäglichen Erlebnissen.

Darüber hinaus empfinde ich es bei der Diskussion über das deutsch-tschechische Verhältnis in Vergangenheit und Gegenwart (...) als eine Belastung, daß man als Deutsche kaum etwas Kritisches über die tschechische Seite anmerken darf, ohne sich der Gefahr auszusetzen, in die rechte Ecke gedrängt zu werden - nicht zuletzt von deutscher Seite.

Mit diesen Ausführungen dokumentieren wir einen politisch überraschend inkorrekten Beitrag aus dem Kapitel „Junge Europäer“ des oben besprochenen Ausstellungskatalogs der Brücke-Stiftung. Silke Sobieraj war zum Zeitpunkt des Erscheinens im Sommer 1999 31 Jahre alt und arbeitete an ihrer Promotion über den Bund der Landwirte in der Tschechoslowakei. Sie hat drei Jahre in Norwegen studiert sowie ein Jahr in der Tschechischen Republik.

 
     
     
 
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