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Sein Vaterland muß man niemals vergessen. Keine schönere Krankheit in meinen Augen als das Heimweh", hat der Theologe und Philosoph Johann Georg Hamann, der vor 265 Jahren (27. August) in Königsberg geboren wurde, einmal bekannt. Vaterland, Heimat zwei Worte, durch Erinnerungen mit Leben erfüllt, zwei Worte, die durch Menschen, ihr Leben und Wirken erst an Bedeutung gewinnen. Was wären wir Heutigen ohne die Taten, ohne das Streben unserer Vorfahren? Eine Generation, die sich nicht auf das kulturelle Erbe der Vorangegangenen besinnt, ist zweifellos verloren.
Durch die Jahrhunderte haben Frauen und Männer vorbildhaft gewirkt, sei es in der Kunst und der Literat ur, sei es in der Wissenschaft. Vieles, was uns Heutigen selbstverständlich erscheint, mußten sie sich erst beharrlich erkämpfen. Ihnen allen mag man den Ausspruch Johann Gottfried Herders aus Mohrungen widmen: "Ohne Begeisterung geschah nichts Großes und Gutes auf der Erde. Die man für Schwärmer hielt, haben dem menschlichen Geschlecht die nützlichsten Dinge geleistet, trotz Spott und Verfolgung und Verachtung drangen sie durch, und wenn sie nicht selbst zum Ziel kamen, so kamen sie doch weiter und brachten weiter."
Auch auf der Schwelle zu dem neuen Jahr sei an dieser Stelle wieder der Frauen und Männer gedacht, die in Ostdeutschland das Licht der Welt erblickten oder dort lange Zeit ihres Lebens verbracht haben. Sie haben mit ihrem Lebenswerk über die engen Grenzen der Provinz hinaus gewirkt und mit ihren geistigen und kulturellen Impulsen das abendländische Kulturerbe geprägt. Stattlich ist die Reihe derjenigen, derer wir im kommenden Jahr aus Anlaß eines "runden" Gedenktages die Ehre erweisen. So seien heute zunächst nur einige wenige Namen in Erinnerung zurückgerufen.
Drei Todestage rücken im Januar ins Blickfeld: vor 50 Jahren starb der Schriftsteller Rudolf Borchardt aus Königsberg (10. Januar); 80 Jahre sind vorüber, da Walter Heymann, der "Sänger der Nehrung", die Augen für immer schloß (9. Januar), während vor 90 Jahren der Königsberger Bildhauer Rudolf Siemering in die Ewigkeit abberufen wurde (23. Januar). Ebenfalls fünf Jahrzehnte sind vorüber, da Fritz Reck-Malleczewen, Schriftsteller aus dem Kreis Lyck, starb (17. Februar). Der Welt der Worte hatte sich Jahrhunderte zuvor ein Mann auch verschrieben, der als der deutsche Literaturpapst zunächst gefürchtet, schließlich aber belächelt wurde: Johann Christoph Gottsched. Er wurde vor 295 Jahren, am 2. Februar 1700, als Sohn eines Pfarrers in Juditten geboren. Zu Beginn unseres Jahrhunderts erblickte Peter Paul Brock im memelländischen Pagulbinnen das Licht der Welt (21. Februar). Der Schriftsteller und langjährige Mitarbeiter unserer Wochenzeitung wäre 95 Jahre alt geworden. Des 150. Geburtstages von Wilhelm Reichermann, des Dialektdichters aus dem natangischen Creuzburg, gedenken wir am 26. Februar. Zwei weitere Todestage gilt es für den Februar zu vermerken: der Düsseldorfer Olof Jernberg, Professor an der Königsberger Kunstakademie, starb vor 60 Jahren (15. Februar); Robert Budzinski, Graphiker und Schriftsteller aus Klein-Schläfken, Kreis Neidenburg, wurde vor 40 Jahren abberufen (27. Februar).
Bei der Durchsicht einschlägiger Unterlagen fällt auf, daß sich gerade 1995 viele Todestage zum 50. Mal jähren. Das mag nicht zuletzt auch durch die Schrecken des Zweiten Weltkrieges bedingt sein, der vor 50 Jahren zu Ende ging. Eng mit diesen Ereignissen verbunden ist der Tod des Malers Julius Schmischke aus Rossitten (geb. dort am 20. September 1890); er fiel bei der Verteidigung Königsbergs 1945. Auch Käthe Kollwitz, Bildhauerin und Graphikerin aus Königsberg, starb noch kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges (22. April), und Harry Lietdke, Schauspieler aus Königsberg, folgte ihr wenige Tage später (27./28. April). Auch Charles Girod, Maler und Graphiker aus Lyck, starb vor 50 Jahren (28. Mai).
Im Jahr 1910 geboren wurden gleich mehrere Männer, die sich als Schriftsteller oder Maler einen Namen gemacht haben: Gerhard Kamin aus Königsberg (15. April), Martin Damß aus Danzig (25. Juni), KH Buch aus Treuburg (26. Juni). Auch Hans Graf Lehndorff, unvergessener Arzt in schwerer Zeit und Schriftsteller aus Steinort, wäre 85 Jahre alt geworden (13. April); während der Königsberger Musikwissenschaftler Joseph Müller-Blattau vor 100 Jahren in Colmar geboren wurde (21. Mai).
Auch der Monat Juli verzeichnet wieder eine Reihe von wichtigen Daten. An dieser Stelle seien nur der 25. Todestag der Malerin Ingrid Wagner-Andersson aus Allenstein (11. Juli), der 70. Todestag von Lovis Corinth aus Tapiau (17. Juli) sowie der 100. Geburtstag des Malers Georg Kolm aus Insterburg hervorgehoben. Heinrich Eichen, der Dichter aus Elbing, wäre im August 90 Jahre alt geworden (15. August), während Ernst Wiechert, der Dichter aus Kleinort, vor 45 Jahren diese Welt verlassen mußte (24. August).
Gleich mehrerer Träger des Ostdeutschen Kulturpreises gilt es im September zu gedenken: der Schriftsteller Martin A. Borrmann wurde vor 100 Jahren in Rößl geboren (10. September), der Leiter des Düsseldorfer Ostdeutschlandchores Paul Mühlen vor 75 Jahren in Krefeld (24. September) und die Bildhauerin Maria Ewel vor 80 Jahren in Königsberg (30. September). 100 Jahre sind vergangen, da der Dichter David Luschnat in Insterburg geboren wurde (13. September). Michael Willmann, Barockmaler aus Königsberg mit Wirkungsorten in Schlesien, wurde vor 365 Jahren geboren (27. September). Vor 50 Jahren starben zwei Ostdeutschland, die jeder auf seine Weise, das kulturelle Leben geprägt haben: der Regisseur und Dramaturg Leopold Jeßner aus Königsberg (13. Oktober) und der Maler und Hochschullehrer Alfred Partikel aus Goldap (20. Oktober).
Ein Datum zu Beginn des Monats November und eins zum Ende gilt es zu notieren: Herbert Wilhelmi, letzter Königsberger Domorganist und Träger des Ostdeutschen Kulturpreises, wäre 100 Jahre alt geworden (4. November); Hilde Leest, Bildhauerin aus Königsberg und ebenfalls mit dem Kulturpreis ausgezeichnet, starb vor 25 Jahren (27. November). 30 Jahre sind vergangen, da Ernst Grün, Professor an der Königsberger Kunstgewerkschule, starb (1. Dezember).
Das Jahr in der Vorausschau neigt sich dem Ende zu; längst nicht alle Gedenktage konnten Erwähnung finden. Die an dieser Stelle Genannten mögen für all diejenigen stehen, die mit ihrem Wirken so sehr viel dazu beigetragen haben, das Land Ostdeutschland im Gedächtnis aller Deutschen zu bewahren. Dieser Leistungen zu gedenken und immer wieder davon zu künden, ist uns Verpflichtung.
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