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Mit den Zügeln zwischen den Zähnen

 
     
 
Wenn du dein ganzes Leben nach dem Leben zeichnest, so wirst du am Ende desselben fühlen, daß dir noch vieles zu lernen übrigbleibt und daß du nicht zu viel gezeichnet hat.“ Der dies sagte, war ein Künstler, in dessen Nachlaß sich nicht weniger als 4000 Zeichnungen und über 2000 Radierungen fanden: Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726-1801). Mehr als 100 Zeichnungen des Danzigers sind nun vom 16. Dezember bis 20. Januar in der Berliner Akademie der Künste
, Hanseatenweg 10, zu sehen. Nachdem die Blätter zuvor in seiner Vaterstadt Danzig ausgestellt waren, sind sie nun dorthin zurückgekehrt, wo Chodowiecki die längste Zeit seines Lebens gewirkt hat. Die Akademie der Künste ehrt mit dieser Ausstellung so nicht zuletzt auch ihren einstigen Direktor (ab 1797) in seinem 200. Todesjahr.

Zu sehen sind in Berlin Zeichnungen, die Chodowiecki während seiner Reise nach Danzig im Jahre 1773 schuf. Quer durch Pommern und Westpreußen ging es damals mit dem Pferd durch die Lande. In den Postwagen wurde es dem Danziger stets übel, so daß er sich für diese, darüber hinaus auch sparsame Beförderungsmöglichkeit entschied. Das langsame Reisen brachte einerseits Vorteile - er konnte so vieles mit dem Zeichenstift festhalten -, andererseits auch Nachteile und Gefahren, denn der Künstler hatte es sich zu eigen gemacht, selbst während des Reitens zu zeichnen. Die Zügel hielt er dabei zwischen den Zähnen. Kein Wunder, daß das Roß einmal stolperte - Chodowiecki verlor bei diesem Mißgeschick zwei Vorderzähne!

Die 108 Blätter umfassende Zeichnungsfolge gelangte 1865 aus dem Besitz der Familie in die Akademie der Künste. 1945 als Beutegut in die Sowjetunion gebracht, kamen 96 Zeichnungen 1958 an die Akademie der Künste (Ost-Berlin) zurück. Erst 1993 konnten im Kunsthandel elf der fehlenden Blätter erworben werden, so daß nur noch eine Arbeit fehlt. Sie befinden sich heute als Leihgabe der Akademie im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. - Außer in Zeichnungen hielt Chodowiecki die Erlebnisse seiner Reise auch in einem Tagebuch fest. Fachleute halten diese Schilderungen für die authentischere Darstellung, da er bei den Zeichnungen „gezwungen war, Erinnerungen mit Erfindungen aufzufüllen“, so Helmut Börsch-Supan in dem die Ausstellung begleitenden Katalog. „Die Illustrationen überhöhten den Text und fügten der Wahrheit die Dichtung als eine höhere Wahrheit hinzu.“ Dennoch gelten die Zeichnungen des Danzigers auch heute noch als eine bezaubernde Dokumentation des Lebens zu Ende des 18. Jahrhunderts und zeigen ihn als geistvollen Künstler. Peter van Lohuizen

Daniel Nikolaus Chodowiecki: Ein Unwetter überrascht den Künstler auf der Landstraße (Feder, Sepia, Tusche, laviert)

 
     
     
 
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