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Moralische Verwerfungen

 
     
 
Schmutzkampagnen belasten immer häufiger die polnische Politik. Überzogene Reaktionen der Beschuldigten sind die normale Folge der tatsächlichen oder vermeintlichen Skandale.

Der Chef der Regierungspartei "Selbstverteidigung", Andrzej Lepper, hat nun das Verbot der "Gazeta wyborcza
" gefordert. Die als seriös geltende Tageszeitung ist mit einer verkauften Auflage von 440000 Exemplaren zweitgrößte Zeitung in der Republik Polen und damit marktführend. Die Zeitung habe einen "Staatsstreich" angestrebt, begründet Lepper, der auch stellvertretender Regierungschef in der Koalition Jaroslaw Kaczynskis ist, sein Verbotsansinnen.

Der Hintergrund: Die Tageszeitung hatte ein Interview mit Aneta Krawczyk, einer früheren Regionalabgeordneten der "Selbstverteidigung" abgedruckt, in der diese dem stellvertretenden Parteichef Stanislaw Lyzwinski vorgeworfen hatte, er habe der arbeitslosen Frau ein Anstellungsverhältnis angeboten und dabei ihre Mittellosigkeit ausgenutzt, um ihr ein sexuelles Verhältnis abzunötigen. Ihr inzwischen dreijähriges Kind sei von Lyzwinski. Auch Parteichef Lepper habe sie 2001 in einem Parlaments-Hotel sexuell gefällig sein müssen. Da auch andere Frauen über sexuelle Belästigungen durch Parteiobere geklagt hatten, brachte die Zeitung das Interview offensichtlich ohne weitere Recherchen. In ganz Europa berichteten die Zeitungen über die Affäre, die Zentralstaatsanwaltschaft in Lodz nahm die Ermittlungen auf, und Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski kündigte vorsorglich die Entlassung seines Vizepremiers für den Fall an, daß die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Lepper erheben würde. Es wäre nicht das erste Verfahren gegen den mehrfach strafrechtlich verurteilten Lepper.

Doch das Blatt wendete sich durch das Ergebnis einer Genanalyse, durch die eine Vaterschaft Lyzwinskis ausgeschlossen worden war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zwar weiterhin wegen sexueller Nötigung, aber die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin ist erschüttert.

Lepper reagierte sofort und forderte als Retourkutsche das Zeitungsverbot.

Auch der zweite stellvertretende Regierungschef Roman Giertych von der extremistischen "Polnischen Familienliga" (LPR) forderte ein Verbot von Zeitungen, die der "Lüge" überführt worden seien. Giertych reagierte damit auf Vorwürfe, die seine eigene Partei belasten.

Ein Video war aufgetaucht, in dem Mitglieder der "Allpolnischen Jugend", einer den Skinheads nahestehenden Jugendorganisation, den Hitlergruß zeigen.

Die Organisation war von Roman Giertych selbst gegründet worden. Die "Märkische Allgemeine" berichtete sogar, der Staatsminister für Wasserwirtschaft und Vize-Parteichef der LPR Wojciech Wierzejski sei "fröhlich tanzend auf einem Konzert einer Nazi-Rockband zu sehen" gewesen. Die Umstände, die zu der Videoaufzeichnung und zu seiner Verbreitung geführt haben, sind zunächst noch unklar, dies wird die Kritiker indessen nicht von ihren Bewertungen abhalten.

Das Verbot einer Zeitung wird sich in einer freien Demokratie zwar so leicht nicht durchsetzen lassen.

Lepper und Giertych werden aber unabhängig von den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft für den auf die Koalition angewiesenen Regierungschef Kaczynski zunehmend zur echten Belastungsprobe. Kaczynski hatte bei Regierungsantritt verkündet, es werde zu einer "moralischen Revolution" kommen, eine Revolution, von der die polnische Politik in Warschau derzeit weit entfernt ist.
 
     
     
 
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