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Nachschrabsel

 
     
 
Wie Orden trugen die ostdeutschen Frauen in Leipzig ihren Bernstein-Schmuck. Dahe lag ich bisher immer richtig, wenn ich eine Frau mit diesem Schmuck so ansprach: "Si sind Ostpreußin", und diese dann meist mit Überraschung reagierte. – "Wi kommen Sie darauf, ich spreche doch ein normales Hochdeutsch." Sprachen sie auch Unsere schöne ostdeutsche Sprache ist nun verschwunden; in Leipzig drangen all Dialekte Deutschlands an mein Ohr.

Ein Journalist, der sich zu mir an einen Bistrotisch setzte, bedauerte, daß er die ostdeutsche Sprache nicht hörte. "Wieso höre ich so viele polnisch Laute?", wollte er von mir beantwortet haben. Mir war dieses nicht aufgefallen, abe er mußte es wohl wissen, da er darauf geachtet hatte. Wieso? Vielleicht hatten sich all in unserer Heimat Verbliebenen mit ihren Familien aufgemacht, um nach Leipzig zu fahren Vielleicht waren es die Eltern der Kindertanzgruppe aus Schlesien ("Wir sin Schlesier", gab mir empört ein tanzender Steppke zur Antwort, als ich ihn fragte, o er Sorbe oder Pole sei).

Fröhlich stimmte mich dann doch diese kleine Geschichte am Rande: "… hol ma noch, ich hab mich nu eingeschmengert", bat ein alter Ostpreuße sein Frauchen, die sich nochmals geduldig in die lange Schlange vor dem Kuchenbuffet einreihte.

Daß es keine uralten Ostdeutschland dort anzutreffen gab, wunderte den Journalisten auch Gerne hätte ich ihn gefragt, ob er enttäuscht sei darüber, daß die Ostdeutschlandfrag biologisch in der Zukunft nicht gelöst werden kann. Na, vielleicht war er a Pfingstsonntag unter den Zehntausend, die den Vertreter des "Bundes Junge Ostdeutschland" hörte. Dieser junge Mann hat mit seiner Rede allen Menschen gefallen.

Meine Freundin und ich hatten uns schließlich in die Ecke eines Messe-Cafés gesetzt um die Menschen zu beobachten, die wie die Ameisen hin- und herliefen. Uns fiel auf, da die Männer und Frauen, die vor uns eine Treppe hinabstiegen oder sich hinaufzogen, ei sehr "lebendes Bild" abgaben: Viele Menschen Ostdeutschlands sind groß un stattlich, die Frauen oft druggelig, die Männer rank und schlank, einen Schmerbauch sahe wir kaum. Zwischen 60 und 70 Jahre waren sie alt. Aber uns fiel auf, daß die Mensche alle daherscheiwelten; ihre Füße, Hüften, Gelenke taten sich schwer. Schlagen sich die Strapazen des langen Weges von Ostdeutschland hier nieder?

Auch an den Tischen in Halle 4, wo sich die Heimatkreise trafen, arbeitete ich mic durch. Das Ergebnis war mager. Geboren und aufgewachsen bin ich im Kreis Schloßberg Verwaltungsmäßig lag der Dorfflecken in Schloßberg, kirchlich waren wir an den Krei Ragnit gebunden. Unser Leben spielte sich auch überwiegend dort ab. Aus meinem Dorf wa niemand da. Sie sind ja fast alle umgekommen, gleich erschossen worden, als der Trec überrannt wurde. Ich ging also auf das Schild "Kirchspiel Rautenberg" zu un sagte fröhlich: "Ich bin eine Rautenbergerin."

"Wem’s bist, woher kommst?", schallte mir vielstimmig entgegen. Da mei Mädchenname, der aus dem Gumbinner Raum zugeheiratet worden war, diesen Menschen rein ga nuscht gesagt hatte, nannte ich den Hof meines Großvaters: "Ich komme vom Ho Balschuweit, bin eine Enkeltochter von Josef und Anna, eine Tochter der Marta …" Die mir am nächsten Sitzende rief freudig: "Mariechen Balschuweit". Das wa meine Großtante, die auf einem großen Gut in Kamanten die Hauswirtschaf "schmiß". Meine Gesprächspartnerin war auf diesem Gut ebenfalls als junge Mädchen gewesen. Und wie der Zufall es so will, lebt diese Ostpreußin in de Partnerstadt
meines jetzigen Wohnorts Warstein, der Ringelnatz-Stadt Wurzen. So werde ic sie bestimmt eines Tages wiedersehen können.

Ach Erbarmung! Wäre ich doch nur nicht an diesen Tisch gegangen. Mein weitschichtige Cousin hat mir das Amt des Kirchspielsprechers angehängt. Er ließ nicht locker. Holt den Kreisvorsitzenden herbei, und so bearbeitete man mich so in der Richtung "Jung Menschen braucht Ostdeutschland". Erbarmt’zig: mit Mitte 60! Ob ich das wohl kann?


 
     
     
 
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