|
Die beiden elegant gekleideten Damen saßen sich in einem Café angeregt unterhaltend gegenüber. So einiges kam zur Sprache, was sich in der letzten Zeit in der Altenwohnanlage ereignet hatte. Besonders der jüngeren Dame schien ein Thema auf den Nägeln zu brennen, sie beugte sich etwas vor und forschte: "Also, Frau Zinkow, wenn ich richtig informiert bin, schwebt Ihnen eine außergewöhnliche Reise vor?"
"Das ist richtig", entgegnete die Angesprochene lächelnd. "Gönnen Sie mir das Vergnügen etwa nicht?"
"Doch, natürlich, Frau Zinkow, aber in Anbetracht Ihres Alters könnte eine lange Reise unvorsehbare Probleme aufwerfen, denn mit 88 Jahren ist man schließlich kein ..." - "... Teenager mehr, wollten Sie doch sagen, Frau Klehn. Oder fühlen Sie sich noch als Teenager? Mit 75 Jahren?"
"So war das auch nicht gemeint, Frau Zinkow, nur dürfte die von Ihnen geplante weite Reise kein Spaziergang sein. Sie könnte eventuell Ihre letzte sein. Unter allen Umständen würde ich an Ihrer Stel- le nur mit einer Begleitperson reisen. Sicher ist sicher!" Frau Zinkow nippte an ihrem Likörglas, schmunzelte und meinte: "Sie möchten wohl gern mit mir reisen, nicht wahr? Nein, nein, ich reise lieber allein. Von wem haben Sie überhaupt erfahren, daß ich verreise?"
"Na, nun hören Sie mal, Frau Zinkow. Alle Spatzen pfeifen es von den Dächern, in welche Gefahr Sie sich begeben wollen. Wir sind alle sehr besorgt um Sie. Schließlich ist Afrika unsicher. Überall Bürgerkriege. Und Sie da zwischen drin! Nicht auszudenken, wenn plötzlich eine bewaffnete Horde auftaucht und Sie entführt."
Jetzt lachte Elke Zinkow laut auf: "Offensichtlich war Ihre Gerücht eküche wieder mal ganz schön am Brodeln. Jedenfalls wird mich niemand davon abhalten, meine geplante Reise anzutreten."
"Schau n Sie mal, Frau Zinkow", redete Maria Klehn auf ihre Mitbewohnerin ein, "Sie haben doch alles in unserer Altenwohnanlage: eine hübsche Wohnung, Freizeitgestaltung, Tanznachmittage, Grünanlagen für Spaziergänge und werden betreut. Wollen Sie das alles aufs Spiel setzen? Gerüchte, wie Sie erwähnen, entstehen doch nicht so einfach mir nichts, dir nichts. Sie selbst müssen doch jemandem erzählt haben, nach Ruanda verreisen zu wollen. Das kann sich doch niemand aus den Fingern gesogen haben ... Geben Sie s doch endlich zu!"- "Interessant, interessant, Frau Klehn", sagte Elke Zinkow amüsant lächelnd. "Es ist doch jedesmal das gleiche: Läßt man zufällig etwas verlautbaren, dann wird meistens nur mit dem halben Ohr zugehört, gleich weiter verbreitet, natürlich gibt jeder nach seiner Version die Neuigkeit kund - und schon ist ein Zerrbild im Umlauf. Natürlich ist ein Fetzen meiner Äußerung wahrheitsgemäß verblieben: das ,R ."
"Also doch Ruanda!" triumphierte Maria Klehn.- "Nein, nicht ganz so weit!" -"Nach Italien?" -"Nein!" - "Nach Spanien?" - "Auch nicht!"
"Nun spannen Sie mich doch nicht noch länger auf die Folter, Frau Zinkow, ... Ihr Urlaubsland fängt mit ,R an. Könnte es vielleicht Rumänien oder Rußland sein? Sagen Sie s endlich!"
"Zuvor, liebe Frau Klehn, müssen Sie mir versprechen, und das gilt auch für alle anderen Gerüchteverbreiter, genau hinzuhören, wenn jemand eine angeblich wichtige Äußerung macht. Meine Reise trete ich in 14 Tagen an."
"Freut mich für Sie, Frau Zinkow. Aber wohin geht s tatsächlich? "Nach Rügen, Frau Klehn! Fängt auch mit ,R an, wie Ruanda. Liegt allerdings etwas näher. Nun zufrieden? Schönen Gruß an Ihre Gerüchteküche ..." |
|