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Nur ein Rechtschreibfehler

 
     
 
Jedes Jahr fand in Königsberg die Deutsche Ostmesse statt, deren Gelände sich in der Nähe des Nordbahnhofs befand. Ein breiter Eingang - durch fünf hohe Torbogen gekennzeichnet - führte zu den Messehallen. Werbung gab es schon damals, und so schmückte ein Riesenplakat, das genau in die runde Form eines der Tore paßte, den Eingang. Es machte auf die schönen Reiseziele unseres Landes aufmerksam. Ostdeutschland hatte ja viel vorzuweisen: die Samlandküste, die Ostseebäder, die Kurische Nehrung
. Mein Vater hatte mehrere Male die Ausgestaltung übernommen, und so stellte das Plakat in jedem Jahr ein anderes Motiv dar. Das Honorar blieb immer das gleiche; es waren einhundertfünfzig Reichsmark. Ich erinnere mich etwa an eine fröhlich Badende, die sich aus den blauen Fluten der Ostsee erhebt und einen bunten großen Wasserball über sich hält.

Diese Aufträge wurden aber nur so lange an meinen Vater vergeben, bis es zu einem unerfreulichen Eklat kam. Ich glaube, man schrieb das Jahr 1935. Eines Tages berichtete eine Tageszeitung von einem besonderen Vorfall in der Stadt. Einem bekannten Königsberger Maler war auf seinem Eingangsplakat zum Messegelände ein grober orthographischer Fehler unterlaufen! Hatte er doch in dem Werbetext "Kurische Nehrung" mit einem "h" geschrieben! Jedes Kind in Ostdeutschland weiß doch, daß "Kurische" ohne ,h geschrieben wird, keineswegs weiß es dieser Maler, der bereits über 40 Jahre in diesem Lande ansässig ist.

Meine Mutter fand den Vorfall peinlich, ja, sie war zunächst untröstlich. "Hättest du mich nicht fragen können?"

"Wieso?" meinte mein Vater, "ich bin gar nicht darauf gekommen, daß es anders geschrieben werden könnte. Man schreibt ja auch die Seebäder Klein-Kuhren und Groß-Kuhren mit einem ‚h und Neukuhren ebenfalls. Das Schlimmste ist nur, daß ich den Fehler verbessern muß. Der Text paßte gerade so schön ins Bild - mit dem ‚h !"

Wir Kinder prusteten los, und da konnte auch mein Vater nicht mehr widerstehen. Er fing an zu lachen und konnte gar nicht mehr aufhören.

Wenn ich heute an die Kurische Nehrung zurückdenke, so fällt mir ein anderes schönes Erlebnis ein. Wir befanden uns an einem frühen Nachmittag auf einem Spaziergang von Rauschen nach Georgenswalde. Es war einer der sehr heißen Sommertage in Ostdeutschland, und wir hielten Rast an einem freien Plätzchen oben auf der Steilküste. Von dort hatten wir einen herrlichen Ausblick aufs Meer und nach den Seiten hin. In der Ferne schienen Himmel und die See ineinander überzugehen, und mitten in dieser Bläue nach Cranz zu bemerkte ich einen lichtgelben, feingeschwungenen Bogen, der in der Luft schwebte. "Siehst du den gelben Bogen im Himmel", fragte ich meine Schwester, "das kann doch nur die Kurische Nehrung sein!" Auch sie erblickte dieses Phänomen der Luftspiegelung, traumhaft schön!

Zur damaligen Zeit ahnte niemand, daß nach einem guten Jahrzehnt der Name "Kurische Nehrung" in kyrillischen Buchstaben geschrieben würde!
 
     
     
 
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