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Onkel Ho und die alten Schatten

 
     
 
Die Frage nach dem "berühmten" Pseudonym eines "Kommunistischen Freiheitskämpfers" stellte unlängst eine wohlanständige, politisch korrekte deutsche Regionalzeitung den Lesern auf ihrer Rätselseite. Auf die europäische Studentenbewegung der 60er Jahre habe der Schöpfer der vietnamesischen "Freiheitsbewegung" eine "starke Faszination" ausgeübt. In der Frage der Zeitung hieß es weiter, das gesuchte Pseudonym sei zum "Schlachtruf" bei den Demonstrationen der sogenannten 68er geworden.

Nanu, einen "kommunistischen Freiheitskämpfer" – gibt es denn so etwas auch, fragt sich erstaunt der kundige Leser. Schließen sich doch "Freiheit" und "Komm-nismus" bekanntlich für jeden aus, der das vorige Jahrhundert ohne rote Politbrille
erlebt hat. So wie es eben auch keinen "gerösteten Schneeball" und keinen "schwarzen Schimmel" gibt.

Als "Schlachtruf" war in der Rätselecke natürlich das mehr als törichte "Ho-Ho-Ho-Chi-Minh" der 68er Revoluzzer gemeint, die den Namen dieses Kommunisten skandierten, als sie auf den Stra-ßen herumhüpften und die Uni-versitäten terrorisierten. Ihr Idol, der angebliche "Freiheitskämpfer", führte brutal und unmenschlich den kommunistischen Klassenkampf und war fest im "Weltfriedenslager" verankert. Das wiederum erstrebte mit aller Kraft den Sieg des Sozialismus in der ganzen Welt, weil nur der den "Frieden" bedeute.

Nach seinem Sieg in Vietnam ließ "Onkel Ho" wie das Kultobjekt liebevoll in den Kommunen der 68er genannt wurde, in blutigen Massakern mehr als hunderttausend Studenten, Intellektuelle und Mönche umbringen. Insgesamt wird die Zahl der Opfer Ho-Chi-Minhs auf eine Million ge-schätzt. Weitere Millionen flüchteten aus seinem kommunistischen Paradies. Zeugte doch die Tragödie der "Boatpeople" vom Terror des "Freiheitskämpfers" und von den Säuberungen und Umerziehungslagern als kommu-nistischen Herrschaftsinstrumenten, wo Gefangene verhungerten, erstickten oder unter der Folter starben. 1969, nach Ho-Chi-Minhs Tod, wurde diesem Idol der 68er von dem Sowjetmenschen Leonid Breschnew ein Mausoleum errichtet, in dem die Unterdrückten jahrzehntelang am einbalsamierten Leichnam des Helden der sozialistischen Revolution vorbeipilgern mußten.

Es ist schon ein Alptraum, wenn man sich vorstellt, daß diejenigen in Deutschland, die sich vor 30 Jahren für jedermann sichtbar an der Person und der Politik dieses Ho-Chi-Minh orientierten, nicht auf den entschlossenen Widerstand des demokratischen Staates gestoßen und in ihre Schranken verwiesen worden wären.

Wenn heute allerdings der kom-munistische Ho als angeblicher "Freiheitskämpfer" in der Rätselecke einer Tageszeitung auftaucht, ist das keine Ausnahmeerscheinung. Wer den Kommunismus als Teil einer "Freiheitsbewegung" ausgibt, und sei es auch "nur" aus mangelhafter politischer Bildung, verhöhnt nicht nur die Opfer des roten Totalitarismus, sondern verharmlost auch diejenigen, die sich aus Gründen politischer Tarnung zwar einen neuen Namen gegeben haben, aber selbst in die Tradition der Kommunisten stellen. Er ermuntert überdies die reaktionären Funktionäre und Parteigänger des Kommunismus, die bis vor einem Jahrzehnt als "Schild und Schwert der Partei" dem "DDR-Staatssicherheitsminister" Erich Mielke von der SED zu Dienste waren. 62 von ihnen erklärten unlängst mit Namen und einstigem Dienstrang öffentlich in der linksextremen "Jungen Welt", "sie hätten nur ihre Pflicht getan", wenn sie Personen überwachten, "die im Verdacht standen, eine gegen die DDR gerichtete Tätigkeit vorzunehmen".

Gleichzeitig feiert die Zeitung "Neues Deutschland", das ehe-malige Organ des Zentralkomi-tees der SED, fröhlich seinen 55. Geburtstag. Ernst Cramer meinte dazu in der "Welt" mit Recht, glücklicherweise könne niemand auf den Gedanken kommen, den 80. Geburtstag der NSDAP-Parteizeitung "Völkischer Beobachter" zu feiern, denn dieses Blatt dürfe seit 1945 nicht mehr erscheinen. Bei den Genossen des Ho-Chi-Minh ist das anders.

Auch in der "alten" Bundesrepublik gibt es viele, die es einst schick fanden, mit dem Honecker-System und dem "Weltfriedenslager" zu flirten oder die sich von ihm instrumentalisieren ließen, indem sie kommunistische Ikonen wie "Onkel Ho" mit sich umhertrugen. Heute sitzen sie in Regierungen, Verwaltungen und Redaktionsstuben und meiden jede selbstkritische Auseinander-setzung mit ihrem damaligen Verhalten. Der hohe moralische Anspruch, mit dem gerade sie damals und heute auftraten und auftreten, ist ohne diese Vergangenheitsbewältigung jedoch nichts wert.

 
     
     
 
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